Gedenken an den Ausflug in den weißen Tod Die "Heilbronner Dachsteinkatastrophe" jährt sich heuer zum fünfzigsten Mal. Zehn Schüler und drei Lehrer starben am Gründonnerstag des Jahres 1954 bei einer Bergtour im Dachsteinmassiv. Gedenkfeiern erinnern zu Ostern an das Bergdrama.

Linz – Zahlreiche Kerzen werden Freitagabend die Berge im Dachsteinmassiv rund um den kleinen Ort Obertraun im oberösterreichischen Salzkammergut erhellen. Lichter, die auf berührende Weise mahnen und erinnern an eines der wohl dramatischsten Ereignisse der österreichischen Bergsteigergeschichte. Am Gründonnerstag des Jahres 1954 wurde der Krippenstein eisiges Grab für zehn Schüler und drei Lehrer aus dem deutschen Heilbronn.

Rückblende in das Jahr 1954

Rückblende in das Jahr 1954: Die Spuren des Krieges sind auch in Heilbronn noch deutlich, trotzdem herrscht inmitten der Trümmerfelder so etwas wie Aufbruchsstimmung. Eine Stimmung, die auch den Lehrer Hans Georg Seiler erfasst haben muss, als er mit einer vierzigköpfigen Gruppe der Heilbronner Knabenmittelschule zu einem Urlaub nach Obertraun aufbricht, um den Nachwehen des Kriegs für kurze Zeit zu entfliehen. Seiler dürfte der magischen Wirkung des Dachsteins sofort erlegen sein, denn kurz nach der Ankunft plante er schon einen Marsch auf den Krippenstein. Zehn Schüler wurden ausgewählt, und die Lehrkräfte Hans Werner Rupp, seine Verlobte Christa Vollmer sowie Hildegard Mattes schlossen sich als Begleitpersonen an. Mattes sollte später als Einzige das Unglück überleben, da sie nach zwei Stunden Fußmarsch umkehrt.

Warnungen ignoriert

Am 15. April 1954 bricht die Gruppe auf, doch schon nach kurzer Zeit verschlechtert sich das anfangs gute Wetter. Mehrere Warnungen von Einheimischen schlägt Gruppenführer Seiler in den bereits eisigen Wind und denkt nicht an eine Umkehr. Am Abend desselben Tages gelten alle Beteiligten als vermisst.

Die Gruppe wird in einer Schutzhütte vermutet; als die ersten Retter dort eintreffen, ist sie leer. Auch in den folgenden Tagen kehren die Suchtrupps immer wieder alleine zurück. Erst am 24. April dann das erste traurige Ergebnis: Das Brautpaar Hans Werner Rupp und Christa Vollmer wird erfroren aufgefunden.

Es vergehen aber noch Wochen, bis alle Opfer entdeckt sind. Am 28. Mai findet der Berggendarm Alois Radinger die letzten Vermissten: Hans Georg Seiler und der Schüler Rolf Mößner, eng umschlungen in einer Schneemulde, ihre Kleider sind aneinander gefroren. "Ich hab' im Traum gesehen, wo der Seiler liegt, hab' dann tatsächlich dort gesucht und die beiden Toten gefunden", schildert der heute 84-jährige Radinger im Gespräch mit dem STANDARD.

Schüler war nur mit einer Stoffhose bekleidet

Den Anblick habe er bis heute nicht vergessen: "Der Lehrer hatte noch seinen Hut auf, und der Schüler war nur mit einer Stoffhose bekleidet – ihre Hände waren bereits abgefroren, und zwischen den beiden lag noch ein angebissenes Stück Brot", schildert der ehemalige Gendarm. Es sei sicher ein Schock gewesen, aber "auch die Erleichterung war da, nach so langer Zeit alle gefunden zu haben". Außerdem habe jeder der vielen Bergretter bereits am zweiten Tag der Suche gewusst, dass man "nur mehr Tote finden wird".

Karfreitagabend wird im Beisein von Angehörigen und Freunden der Opfer ein Buch über das Unglück vorgestellt. Am Karsamstag nehmen Landeshauptmann Josef Pühringer und der Heilbronner Oberbürgermeister Helmut Himmelsbach an Trauerfeiern teil. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD Printausgabe 9.10.2004)