Illustration: Der STANDARD/Schopf

Stellen Sie Bert Fragner eine vermeintlich harmlose Frage, und es wird sich ein verbales Universum über Sie ergießen. Das ist wohl so bei Menschen, die über großes Wissen verfügen. Menschen wie Fragner sind in der Lage, ad hoc zu vielen Themen Problemaufrisse zu skizzieren, alle Aspekte in den rechten Kontext zu setzen. Immer entdeckt er dabei Muster in Abläufen und Handlungen – egal ob er Österreicher und Deutsche in ihrem Wesen vergleicht, die politische Geschichte des Iran rekonstruiert oder Kochrezepte in der Kronen Zeitung auf "Modeerscheinungen" hin abklopft. Der Zuhörer ist gefordert, komplexen Wortkaskaden zu folgen – irgendwo darin steckt die Antwort auf die vermeintlich harmlose Frage.

"Er ist nett und völlig unarrogant", und er ist "Weltklasse, nicht nur in seinem Fach", urteilt eine befreundete Journalistin über den Wissenschafter. "Wenn es noch so etwas wie ,Universalgelehrte' gibt, dann ist er ein solcher."

Dabei hatte der 63-jährige, in Wien geborene Gelehrte nach einer langen Karriere in Deutschland schon genug vom Wissenschaftsbetrieb. Zunehmend werde im universitären Leben die Form den Inhalt überstrahlen. Fragner wollte in Frühpension gehen. Als man ihn vor zwei Jahren gefragte, ob er in Österreich ein Institut für Iranistik an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften aufbauen wolle, hat es ihn doch gereizt, wieder etwas "aus dem Boden zu stampfen".

Fragner fand bei seiner Rückkehr Ungewohntes vor: Von der Form ("altehrwürdig") auf den Inhalt zu schließen sei im Falle der Akademie der Wissenschaften fehlleitend. Er habe sie, bilanziert er nun nach seinem ersten Jahr als Direktor des Iranistik-Instituts, als "ein sehr lebendiges Haus" kennen gelernt, deren Mitarbeiter "Sinn für spannende Themen haben". Kurz gesagt: "Die Akademie ist pfiffig."

Mit dem Aufbau des Instituts fehlt ihm die Zeit, um in jene Gebiete zu reisen, die ihn von der Kulturanthropologie her interessieren. Die Neugier treibt ihn aber trotzdem in den Iran, nach Tadschikistan oder Usbekistan. Er spricht perfekt Persisch, versteht lokale Dialekte; bei Türkisch, Französisch, Russisch und Tschechisch "reicht es zur Verständigung". Viele Erinnerungsstücke, wie ein 120 Jahre alter persischer Hausspiegel, zieren sein Büro.

Als Kenner der arabischen Welt findet er, dass in Österreich die Situation beispielsweise in Afghanistan oder im Irak "gar nicht so schlecht" rezipiert wird. "Die Leute hier sind gut informiert." Er selbst profitiert in seiner wissenschaftlichen Arbeit von einem lange gepflegten Netzwerk an Kontakten mit Orientalisten in aller Welt.

"Meine Güte, da gibt es zu viel", stöhnt er über die Zahl seiner Hobbys. Mit Begeisterung habe er Rosen gezogen. Damals, als er in der Universitätsstadt Bamberg einen Garten hatte. "Jetzt ist das Leben in Wien auf einen Balkon beschränkt." Die Mineralogie, ein Studienwunsch aus Jugendjahren, fesselt ihn noch immer. Was das Kochen anlangt, leidet er derzeit unter Entzugserscheinungen. Wenn er keine Zeit dafür hat, denke er immer daran, welche Gerichte er in den Töpfen entstehen lassen könnte. (Andrea Waldbrunner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10./11. 4. 2004)