"Wir werden an unseren Prinzipien festhalten: Souveränität eines Landes bedeutet, dass es keine ausländischen Soldaten auf seinem Territorium gibt." Der Satz kommt ihr ohne Mühe von den Lippen, doch noch vor einem Monat wäre ihrem nächsten Vorgesetzen im Pariser Außenministerium dabei wohl die Tasse aus der Hand gefallen: Salome Surabischwili, bis März noch Frankreichs Botschafterin in Georgien, ist heute Außenministerin der Kaukasusrepublik und kann es sich leisten, Partei zu ergreifen und gleichzeitig Russen wie Amerikaner zu verprellen.

Georgiens neuer Präsident, Mikhail Saakaschwili, verlieh der 52-jährigen Diplomatin kurzerhand die georgische Staatsbürgerschaft, und der Quai d'Orsay in Paris, das französische Außenministerium, beurlaubte einfach seine Botschafterin in Tiflis. Ähnliche Karrieresprünge hat es immer wieder gegeben seit dem Ende der Sowjetunion - der Litauer Waldas Adamkus etwa war nach fast 50 Jahren in den USA in seine frühere Heimat zurückgekehrt und hatte sich zum Präsidenten wählen lassen -, doch im diplomatischen Geschäft, das so sehr von Protokoll und Zurückhaltung lebt, ist der Fall der französischen Exbotschafterin eher beispiellos.

Surabischwili, 1952 in Frankreich geboren, entstammt natürlich einer georgischen Familie: Ihre Großeltern wanderten in den 20er-Jahren aus, als sich die Rote Armee Georgien einverleibte. Surabischwilis Vater war Präsident der Vereinigung der Georgier in Frankreich, sie selbst ist mit einem Georgier verheiratet. Vor ihrer Berufung nach Tiflis im September 2003 war Surabischwili zuletzt Leiterin militärstrategischer Abteilungen im französischen Außen- und Verteidigungsministerium.

Die Ernennung der Franko-Georgierin gilt einigen politischen Beobachtern in Tiflis als guter Schachzug Saakaschwilis, der damit zeigen kann, dass seine Westorientierung nicht ausschließlich Washington und das Weiße Haus bedeutet. Seine Außenministerin, die in ihrer Antrittsrede erklärte, eine neue Behörde im "europäischen Stil" aufbauen zu wollen und dafür vom Präsidenten "absolute Freiheit" bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter erhalten habe, steht für Georgiens Anspruch, Teil der Europäischen Union zu werden. In "drei bis vier Jahren", so erklärte Präsident Saakaschwili jüngst bei seinem Vorstellungsbesuch in Brüssel, werde Georgien reif für den Beitritt sein.

Ebenso hat Paris, das traditionell gute Beziehungen zu Armenien unterhält, nun ein weiteres Standbein im Kaukasus, auch wenn Salome Surabischwili dies kategorisch bestreitet. Als "freie Person" sei sie gekommen, meint die Ministerin, auch in Frankreich, wo sie 30 Jahre im diplomatischen Dienst war, wisse jeder, dass sie ein "hitziges Temperament" habe. (DER STANDARD, Printausgabe 13.04.2003)