Ein Fischlokal so wie am Bosporus, das würde in Wien ganz eindeutig fehlen, schwärmte Erkan Umar immer wieder, unkompliziert, aber mit erstklassiger Ware, und dass er diesen Mangel wohl früher oder später selbst beheben werde müssen, wurde dem besten Fischhändler des Naschmarktes über die Jahre schon klar.

Voriges Jahr im Sommer probierten die Brüder Erkan und Gökhan Umar das dann einmal aus: Sie gingen eine Partnerschaft mit einem Gastronomen ein, der auf der Donauinsel ein kleines Lokal unterhielt, was ein paar Monate lang zu bisher an diesem Ort nicht gekannter Fisch-Qualität führte. Den Fischhändlern aber auch zur Gewissheit verhalf, dass die Gastronomie ein hartes Brot ist, in dem Misstrauen durchwegs angebracht ist. Aus der Donauinsel-Sache zogen sich die Umars also bald zurück und suchten ein Lokal in der Nähe des Naschmarktes, wo sie hofften, den Zauber und die spezielle Atmosphäre ihres kleinen Fischstandes mitziehen zu können. Und was sie fanden, hätte besser nicht sein können, nämlich ein sonst nicht weiter bedeutendes Naschmarkt-Lokal, das aber den unzweifelhaften Vorteil besaß, gleich direkt neben ihrem Fischgeschäft zu liegen.

Umbau oder nicht, lautete dann die Frage, schließlich hatte das Lokal entsprechend seiner früheren Nutzung eine Küche von ungefähr zwei Quadratmetern, kein Klo, aber dafür eine überdimensionale Theke. Die Umars beschränkten sich einstweilen einmal darauf, ein paar altmodische Ansichten von Istanbul aufzuhängen, in den CD-Player mit dem Wackelkontakt türkischen Pop einzulegen und sonst die Qualität ihrer Ware sprechen zu lassen. Eine weise Wahl, denn erstens kam die Atmosphäre in den vergangenen zwei Monaten eh irgendwie von alleine, und zweitens hat das Umarsche Fisch-Sortiment ohnehin ordentlich was zu bieten. Vor allem seit vergangener Woche, da man direkt aus Frankreich importiert.

Die Calamari zergehen auf der Zunge

Auch von der anfänglich etwas verspielten Speisekarte, die noch den Versuch machte, den feinen Fisch mit diversen Saucen, Cremes und Garnituren zu bereichern, kam man mittlerweile ab und bietet stattdessen den gebratenen Fisch in aller Einfachheit, mit Wein, Brot, Olivenöl, Salz, Pfeffer und Zitrone. Was zum Beispiel dann für Freude sorgt, wenn man da den besten St. Petersfisch der Stadt auf dem Teller liegen hat, mit strahlend weißem Fleisch von wächserner Konsistenz, jeder Muskel einzeln abzulösen, von erlesenem Geschmack, fast wie Languste (für zwei Personen € 29). Der mittlerweile zum Renner gewordene "Umar-Teller" bietet eine Art von gebratenem "Best of" des Fisch-Standes (€ 16), für die anfangs von einem italienischen Gastkoch zubereiteten Vorspeisen sorgt jetzt Bruder Gökhan, die Calamari zergehen auf der Zunge, der Rucola-Paprika-Calamari-Salat verströmt mediterrane Lebenslust, und die in Dille marinierten, kurz angebratenen Branzino-Filets erst recht.

Gebratener Seeteufel (€ 19), fünf Riesenscampi (€ 19,90), Steinbutt (€ 17), so einfach wie möglich, riesige Portionen, bei Sonnenschein an einem der Tische draußen am Markt - der Sache mit dem Bosporus-Lokal kommen die Umars schon ziemlich nahe, muss man sagen. Vor allem tagsüber, weil man sich das Tier dann quasi direkt und frisch vom Eis aussuchen kann, an einer Lösung mit Vitrinen, die dann auch abends für dekorative Optik sorgen sollen, tüftelt Erkan Umar aber schon. Und wenn nicht, dann macht das eigentlich auch nichts. (DERSTANDARD/rondo/Florian Holzer/16/04/04)