Die Societas Europaea (SE), die ab 8. Oktober in der EU gegründet werden darf, verspricht die Erfüllung eines unternehmerischen Traums

Foto: Photodisc
Wien - In allen 25 europäischen Mitgliedstaaten herumziehen, ohne - wie bis jetzt - ständig Gesellschaften liquidieren und wieder neu gründen zu müssen: Die Societas Europaea (SE), die ab 8. Oktober in der EU gegründet werden darf, verspricht die Erfüllung dieses unternehmerischen Traums. Allerdings stehen derzeit noch Steuerhürden zwischen Konzernen und ihrer totalen Niederlassungsfreiheit via SE.

Prinzipiell, erklären Willibald Plesser und Claus Staringer, die Experten der internationalen Anwaltskanzlei Freshfields, Bruckhaus, Deringer, eröffne die kommende Europäische AG ganz neue Spielräume für Konzerne, die in vielen europäischen Ländern Töchter oder Niederlassungen haben: Firmensitzverlegungen ohne vorangehende Liquidation sind steuerneutral möglich.

Vorteile der SE

Lange diskutierte grenzüberschreitende Verschmelzungen werden so im Zuge der künftigen SE möglich. Die Europa AG kann zudem wählen, welche Führungsform sie wählt - das anglo-amerikanische Board als Mischung von Geschäftsführern und Aufsehern oder das traditionelle europäisch zweistufige System von Vorstand und Aufsichtsrat. Zudem helfe die SE "unerwünschte nationale Zuordnungen" - etwa im Zuge von Fusionen - hintanzustellen: quasi ein philosophischer, europäischer Hintergrund.

Diesbezüglich, so Plesser, der am Donnerstag zum ersten SE-Klientenseminar lud, gebe es auch schon einiges Interesse heimischer Konzerne. Abgesehen von formalen Voraussetzungen müssen bei börsennotierten Gesellschaften allerdings auch die Hauptversammlungen einen Zweidrittelbeschluss für Umwandlung von "AG" in "SE" fassen.

Steuerhürde

Ob die SE von Europas Konzernen lediglich in Einzelfällen oder auf breiter Basis zwecks europäischer Identitätsstiftung angenommen werde, hänge aber noch an der Beseitigung einer großen Steuerhürde, erklärt Staringer: Denn will eine Holding ihren Sitz verlegen, dann hält der nationale Fiskus an der Grenze die Hand auf und will 25 Prozent Körperschaftsteuer.

Eine solche Wegzugsteuer für Holdings wirke "absolut abschreckend", kommentiert Staringer enttäuscht. Zwar ist für private Vermögende seit kurzem ausjudiziert, dass sie europaweit steuerneutral samt Vermögen umziehen können (DER STANDARD berichtete), für die Holding SE fehlen aber sowohl Vorgaben der EU als auch Judikatur. Staringer hofft diesbezüglich auf ein baldiges Nachbessern der europäischen Fusionsrichtlinie.

Dass mit der SE ein scharfer steuerlicher Standortwettbewerb und damit massive Umleitung von Unternehmensvermögen in Europa in Gang kommen, glauben die Experten bei Freshfields nicht. Verschmolzenes Vermögen werde weiter dem Ursprungsland zugerechnet, und wer neue Produktionen in Ländern mit niedrigeren Unternehmenssteuern aufziehen wolle, tue dies ohnedies. Staringer: "Die Flucht in so genannte Steueroasen, etwa die Slowakei, ist nicht wahrscheinlich." (Karin Bauer, Der Standard, Printausgabe, 16.04.2004)