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Gerhard Schröder - auf der Industrie-messe in Hannover - sieht sich und Deutschland flott unterwegs. Viele Experten bezeichnen das aber als Illusion: Sie glauben, dass Kanzler und Land nicht vom Fleck kommen, und warnen vor groben strukturellen Mängeln.

Foto: EPA/Jensen
Rom/Hannover - In Deutschland und Italien ist nach Worten von EU-Kommissionspräsident Romano Prodi in den vergangenen Monaten keine wirtschaftliche Erholung erkennbar gewesen. "Die Erholung in Europa war in den vergangenen Monaten zögerlich, sogar geringer als in der übrigen Welt", sagte Prodi am Montag in Rom am Rande eines Treffens mit italienischen Oppositionspolitikern. Die Wirtschaft wachse in den EU-Ländern mit verschiedenen Geschwindigkeiten: über drei Prozent, 1,5 bis 2 Prozent und im Falle von Deutschland und Italien überhaupt nicht. "Die dritte Gruppe besteht aus zwei Ländern, Deutschland und Italien, wo die Konjunkturerholung nicht besteht und es grundlegende Probleme gibt."

Der Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Lucas Papademos, hat weit reichende Reformen in Europa gefordert, um die Wachstumslücke zu den USA zu schließen. "Es gibt keinen Zweifel, dass die EU derzeit an einem Wachstumsdefizit leidet - zumindest, wenn sie mit einem anderen großen Wirtschaftsraum, den USA, verglichen wird", sagte Papademos.

"Von einer durchgreifenden Erholung, die auch dem Arbeitsmarkt auf die Beine hilft, kann keine Rede sein", erklärte auch das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) am Montag nach Auswertung seiner Frühjahrsumfrage unter 1133 Firmen. Auch das weitere Jahr sehen die Unternehmer mit gemischten Gefühlen.

Erträge sinken wieder

Trotz der Belebung des Auslandsgeschäfts befürchten sie, dass ihre Erträge eher sinken, sodass bei Investitionen gespart werden muss. "Damit fehlt der wirtschaftlichen Erholung ein tragfähiges Fundament im Inland", erklärte das Institut. Trüb bleiben damit auch die Perspektiven für den Arbeitsmarkt. Mehr als jedes dritte Unternehmen rechnet der Umfrage zufolge für 2004 mit weniger Beschäftigung, nur gut jeder siebente Betrieb im Westen und sogar nur jeder neunte im Osten will seinen Personalbestand aufstocken. Insgesamt spricht das Institut von einem "lauen Lüftchen" für die Konjunktur.

OECD pessimistisch

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) rechnet laut einem Bericht der Financial Times Deutschland damit, dass Deutschland auch im nächsten Jahr wieder gegen den Stabilitätspakt der Euroländer verstoßen wird. Dem Blatt zufolge nimmt die Organisation in einem neuen Wirtschaftsausblick an, dass das Defizit der öffentlichen Haushalte in Deutschland 2005 bei 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen werde. Gemäß dem Vertrag von Maastricht sind höchstens drei Prozent zulässig.

Dem widersprach der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder heftig. Deutschland werde nicht erneut gegen die EU-Defizitvorgaben verstoßen. "Ich gehöre nicht zu denjenigen, die sich abhängig machen von wöchentlich wiederkehrenden Korrekturen um Zehntelprozente", sagte Schröder. (Reuters, dpa, Der Standard, Printausgabe, 20.04.2004)