Dass eine Wahl geheim durchzuführen ist, ist eine Rechtspflicht (Art 26 Abs 1 B- VG für die Nationalratswahl; § 87 Abs 2 Nationalrats-Geschäftsordnungsgesetz für Wahlen im Nationalrat selbst). Diese darf nicht so unterlaufen werden, dass der Wähler/ die Wählerin gleichsam "freiwillig" auf die Geheimhaltung verzichtet und seine/ihre Anonymität preisgibt.
Warum darf das nicht sein? – Aus zwei Gründen: 1. Der Pflicht, Wahlen geheim durchzuführen, korrespondiert das Recht jedes Wählers und jeder Wählerin, dass sein/ ihr Wahlverhalten nicht offen gelegt wird. Wenn z. B. bei einer Nationalratswahl in einem Wahlsprengel von 100 Wahlberechtigten 99 ihre Stimmzettel mit ihrem jeweiligen Namen versehen, ist das Wahlverhalten der 100. Person offen gelegt.
2. Die geheime Wahl soll es dem Wähler/der Wählerin ermöglichen, seinen/ihren Willen unbeeinflusst von familiären, gruppenmäßigen oder gesellschaftlichen Zwängen auszuüben. Unterliefe man diese Rechtspflicht, indem man Stimmzettel markiert, würde der soziale Druck auf diejenigen steigen, die ihre Anonymität nicht preisgeben wollen, dies dennoch zu tun.
Art. 134 der Verfassung der alten Sowjetunion schrieb für Wahlen die geheime Abstimmung vor. Es war jedoch von der Führung forcierter Usus, im Wahllokal offen abzustimmen. Auf diese Weise konnte von den Parteifunktionären nicht nur das Wahlverhalten kontrolliert werden, sondern es machte sich der von vornherein verdächtig, der geheim wählen wollte.