"Sehr gute und zugleich sehr schlechte geographische Lage"
"Wir befinden uns in einer sehr guten und zugleich sehr schlechten geographischen Lage", betont etwa Ministerpräsident Algirdas Brazauskas. Durch seine Scharnierfunktion zwischen Ost- und Westeuropa zieht Litauen ökonomischen Nutzen, ist aber andererseits auch starkem politischen Druck ausgesetzt. Deutlich wurde dies im Vorjahr, als Vilnius eine umstrittene Regelung zum leichteren Transit in die russische Exklave Kaliningrad akzeptieren musste. Die Region an der Ostsee ist nämlich von Russland aus nur über Litauen erreichbar, das als EU-Mitglied die Visapflicht für Russen einführen muss. Nun sollen die Visa kostenlos und innerhalb von 24 Stunden an russischen Bahnhöfen ausgegeben werden.
Wohlstandsgefälle
Die Kaliningrad-Frage liegt den litauischen Politikern aber auch sonst schwer im Magen. Als Stützpunkt für Organisierte Kriminalität, Drogen- und Waffenhandel könnte die russische Region auch Litauen destabilisieren. Dies umso mehr, wenn nach dem EU-Beitritt das Wohlstandsgefälle noch zunehmen wird. Hinter vorgehaltener Hand wird daher in Vilnius - und auch in Brüssel - längst über eine "Statusänderung" für die nach dem Zweiten Weltkrieg von Russland annektierte Region diskutiert.
Atomenergie
Während die Zeitbombe Kaliningrad wohl erst nach dem EU-Beitritt zu ticken beginnen wird, hat Litauen mit dem Atomkraftwerk Ignalina eine andere Gefahrenquelle bereits entschärft. Gegenüber der EU hat sich das Land nämlich zur Abschaltung der beiden Reaktoren sowjetischer Bauart bis zum Jahr 2009 verpflichtet. Litauen fordert jedoch EU-Gelder für einen dritten, modernen Reaktor am Standort des Kraftwerkes, das derzeit 70 Prozent des litauischen Strombedarfs deckt.
Innenpolitische Turbulenzen
Innenpolitisch geht es in Litauen derzeit eher unruhig zu. Der erst im Jänner 2003 überraschend zum Staatspräsidenten gewählte Rolandas Paksas war Ende März nach einem im vergangenen Dezember begonnenen Amtsenthebungsverfahren aus dem Präsidentenpalast gestimmt worden. Paksas wurde in der Folge in mehreren Punkten vom Höchstgericht Verfassungsbruch attestiert. Derzeit führt Parlamentspräsident Arturas Paulauskas die Amtsgeschäfte. Die erste Runde der Neuwahl des Präsidenten wird vermutlich am 13. Juni stattfinden. Paksas soll sich seinen Wahlkampf vom umstrittenen russischen Geschäftsmann Jurij Borisow finanzieren haben lassen, dem er im Gegenzug per Präsidentendekret die litauische Staatsbürgerschaft verschaffte. Borisow werden illegale Waffengeschäfte vorgeworfen und er soll auch über Kontakte zu Mafia und russischem Geheimdienst verfügen.
Ein "alter Bekannter"
Litauens Ministerpräsident ist seinerseits ein "alter Bekannter". Der frühere Kommunistenchef Algirdas Brazauskas führt seit Juli 2001 eine Koalition aus Sozialdemokraten und Sozialliberalen an, war aber Mitte der 1990er Jahre bereits Staatspräsident.
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