Das "alte" Fino auf der Tuchlauben

Das Fino, eine kleine, gute Weinbar mit interessantem Konzept, gebar einen Ableger, der allerdings dreimal so groß wie das Mutterlokal ist und versucht, dennoch genauso gut zu sein

Das "Chrinor" machte vor vier Jahren einen guten Anfang: schönes, helles, modernes Lokal mit schöner, bunter und moderner Küche eines dynamisch nach oben strebenden Jungstars. Der sich mit der Zeit allerdings ein bisschen verzettelte, weshalb das Publikum auf kurz oder lang in andere In-Lokale abwanderte. Das "Fino" hatte es da vor eineinhalb Jahren schon ein bisschen schwerer, denn das Lokal ist klein, liegt ein bisschen versteckt und außerdem befindet es sich quasi gegenüber von Szene-Magnet "fabios". Dazu kommt, dass Georg Pfeiffer sein "Fino" ursprünglich ja in New York machen wollte, wo man nach den Attentaten im Jahr 2001 aber nur mäßig neugierig auf die Herrlichkeit neuer, österreichischer Weinkultur war.

Das "Fino" klappte jedenfalls ausgezeichnet, "wir waren immer ausgebucht, was mit neun Tischen ja aber auch nicht schwer ist", hätte sich küchenmäßig aber nie so richtig präsentieren können, bedauert Küchenchef Thomas Strassegger, wurde immer nur als Weinbar wahrgenommen. Und das, obwohl sich Strassegger doch beim New Yorker Koch-Guru David Bouley im "Danube" abgeschaut hatte, wie man heutzutage wirklich spannende Kleingerichte auf Basis der österreichischen Küche basteln kann.

Nun, seit voriger Woche ist mehr Platz, denn da übernahmen sie das ehemalige "Chrinor", das Design wurde angepasst, für die Küche des so geschaffenen und dreimal so großen Fino-Klon engagierte man den jungen Raphael Pusch, alle zwei Wochen wird konferiert, damit die Speisekarten der beiden Finos zwar "corporate idented" bleiben, sich aber nicht überschneiden. Was zum Beispiel heißt, dass man Speisen in vier fixierten Preiskategorien anbietet, zu € 5,80, zu € 7,80, zu € 9,80 und als "premium".

Mehr "crossover" wolle man im siebenten Bezirk kochen, erklärt Strassegger, weil das Publikum hier jünger sei. Eine Absicht, die etwa durch ein Carpaccio mit Bergkäse und dem an dieser Stelle suboptimal eingesetzten Kürbiskernöl vielleicht nur mittelgut umgesetzt wurde (€ 7,80), deutlicher schon durch den marinierten Kalbsschlepp, der allerdings nur einen Millimeter dick geschnitten und somit kaum wahrzunehmen war (€ 5,80). Eine Bärlauchschaumsuppe, die zwar grün war, aber mehr nach Amaretto denn nach Bärlauch schmeckte (€ 4,80), ein braver und riesiger Kaninchenraviolo mit Trevisobutter (€ 7,80), ein äußerst feiner, weißer Paradeiser-Risotto mit hausgemachter Garnelenchorizo, aromatisch und kreativ zweifellos der Höhepunkt der Karte (€ 9,80). Das Filetsteak war guter Standard, der frittierte Bärlauchkartoffel "Kiev" eher retro denn crossover (€ 19,80), Lachssteak mit Rahmwirsing recht fein, aber auch nicht gerade brandheiß.

Das Lokal ist hübsch, die Küchenleistung tadellos, die vierzig offenen Weine respektabel. Dennoch hat man das Gefühl, dem Fino ging über die Jahre ein bisschen der Esprit aus, als ob man sich nicht mehr so sehr an New York orientiere als vielmehr an Frankfurt. (Florian Holzer, DER STANDARD, rondo/23/04/2004)