Mit seiner Ankündigung eines weiteren Verbleibs italienischer Soldaten im Irak hat Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi heftige Polemiken ausgelöst. "Unser Truppenkontingent wird auch nach dem 30. Juni im Irak bleiben. Das ist ein Akt politischer Verantwortung", sagte Berlusconi am Rande seines jüngsten Besuches in Moskau.

Damit erregte er nicht nur bei der Opposition, sondern auch in der Regierungskoalition Widerspruch. Der Vizechef der Lega Nord, Roberto Calderoli, erklärte, es gebe keinen entsprechenden Beschluss. Ein Teil der Linksopposition kündigte eine Unterschriftensammlung gegen den Truppenverbleib an, der nur von 38 Prozent der Italiener unterstützt wird. Der Sprecher der Ulivo-Einheitsliste, Piero Fassino, forderte den Abzug, falls es keine neue UNO-Resolution gebe. "Der Zeitraum dafür ist knapp", so Fassino. Dagegen versicherte Außenminister Franco Frattini nach einem Gespräch mit seinem US- Kollegen Colin Powell, er rechne mit einer neuen UNO- Resolution im Mai.

Unterdessen werden die Entwicklungen im italienischen Geiseldrama immer verwirrender. Die regierungsfreundliche Zeitung Il Tempo meldete, Berlusconi habe aus seinem Privatvermögen fünf Millionen Euro als Lösegeld bezahlt. Die italienische Zivilverwalterin der Provinz Nassiriya, Barbara Contini, bestätigte die Zahlung eines Lösegeldes, dementierte die Meldung jedoch einige Stunden später. Ein Flugzeug mit mehreren Kamerateams, das die Geiseln nach Rom fliegen sollte, ist nach Italien zurückgekehrt.

Berlusconi hatte zuvor im Fernsehen erklärt, die Freilassung sei eine "Frage weniger Stunden". Doch nun stellen die Entführer offenbar zusätzliche Forderungen. Berlusconis Erklärungen über den Weiterverbleib der Truppen drohen die Verhandlungen zu erschweren.

"Wir sind sehr verwundert über die unvorsichtigen Aussagen des Premiers", sagte der Sunnitenführer Abdul Kubaissi, den Rom um Vermittlung im Geiseldrama ersucht hatte. Berlusconis Aussage, Italien sei "der engste Verbündete der USA", bezeichnete Kubaissi als "schwer wiegend" und "keineswegs förderlich". (DER STANDARD, Printausgabe, 23. 4. 2004)