Die Bundesheer-Reformkommission ist bei ihrer Gründung von allerlei Häme begleitet worden - die große Runde aus Politikern, Interessenvertretern und Soldaten aller Ränge (sogar Rekruten und ein Zivildiener sind dabei) schien mehr zur Staffage als zur Entscheidungsfindung geeignet. Tatsächlich haben Helmut Zilk und seine Kommission inzwischen Beachtliches geleistet: Sie haben Öffentlichkeit geschaffen für die Widersprüche, die es im System der österreichischen Landesverteidigung seit jeher gibt.

Da ist es zunächst nicht so wichtig, ob über dieses oder jenes Papier, das die Kommission passiert, völliger Konsens herrscht - viel bedeutsamer ist, dass Papiere an die Öffentlichkeit kommen, die an sich strittig sind. Österreich nimmt auf diese Weise erstmals seit den Siebzigerjahren auf einer relativ breiten Basis zur Landesverteidigung Stellung.

Mit überraschenden Ergebnissen: Noch vor einem halben Jahr wäre es als undenkbar erschienen, dass die Vertreter aller Parteien (inklusive der Grünen) einräumen, dass ein reformiertes, einsatzorientiertes Bundesheer mehr Geld brauchen wird als jene Armee, die in Österreich zur Zeit des Kalten Krieges aufgebaut worden ist. Diese Armee ist seither zwar zweimal umgegliedert und in manchen Bereichen neu ausgestattet worden - wie sie wirklich zukunftsfähig gemacht werden könnte, ist aber umstritten geblieben.

Grob gesprochen gibt es zwei Denkschulen: Die einen meinen, dass militärische Aufgaben nur im engen Verbund mit anderen Ländern wahrgenommen werden können - schließlich sind selbst Großmächte auf Verbündete angewiesen. Die anderen meinen, dass das Geschehen in der großen, weiten Welt schon seine Wichtigkeit haben mag - dass aber das Militär vor allem den Bürgern im Inland Schutz und Hilfe (bis hin zum Präparieren der Streif vor dem Hahnenkammrennen) angedeihen lassen soll.

Quer dazu liegt die grundsätzliche Überlegung, ob und wie weit Österreich eigentlich noch neutral ist und künftig weiter neutral sein kann.

Interessanterweise haben sich einige Kommissionsmitglieder den Luxus geleistet, eigenständig nachzudenken und zu eigenen, überraschenden Schlüssen zu kommen.

Besonders ausgezeichnet hat sich dabei Peter Pilz, der in der Mitgliederliste der Kommission als "Friedenssprecher - Die Grünen" verzeichnet ist: Er gilt inzwischen als einer der eifrigsten und konstruktivsten Reformer - und er zeigt eine internationale Orientierung, wie sie in Österreich selten ist.

Bis zu ihm hat sich herumgesprochen, dass es zwischen Abgehen von der Neutralität und dem Beitritt zur Nato einen ganz beachtlichen Spielraum von Optionen gibt.

Bemerkenswert ist auch, dass die Idee eines Berufsheeres inzwischen mit jener Konsequenz durchdacht wird, die bisher gerade durch die schon jetzt hauptberuflichen Soldaten verstellt war: Ein echtes Berufsheer würde ja gerade nicht Hunderte Vizeleutnante, Oberstleutnante und schon gar nicht mehrere Dutzend Offiziere in irgendwelchen Generalsrängen als pragmatisierte Beamte beschäftigen. Das Wesen eines Berufsheeres ist ja, dass der soldatische Beruf üblicherweise nur für einen gewissen Lebensabschnitt ausgefüllt wird - dann müssen alle, die nicht in der nächst^höheren Führungsebene gebraucht werden, in einen anderen Beruf wechseln.

Beamtete Soldaten gibt es in einem Berufsheer nicht. Dafür dürfte die Milizkomponente - ähnlich wie bei der National Guard der USA - deutlich an Bedeutung gewinnen. Zu den spannendsten Reformaufgaben dürfte die Entwicklung eines Modells gehören, das einen raschen Wechsel aus dem Soldatenberuf in eine zivile Tätigkeit und bei Bedarf wieder zurück ermöglicht.

Man sieht jetzt schon, dass sich einige Heeresbeamte mehr oder weniger heftig gegen solche Ideen wehren: Jeder hält gerne an den Strukturen fest, in denen er es sich gemütlich gemacht hat. Aber wenn die Regierung eine ungemütliche Pensionsreform durchsetzen kann, dürfte sie Ungemütlichkeit im Heer auch nicht schrecken. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.4.2004)