Wien - Mit Spannung werden Sonntag bei der Bundespräsidentenwahl zunächst einmal die Hochrechnungen erwartet, die ab 17.00 Uhr veröffentlicht werden. Die Methoden der Hochrechner sind unterschiedlich - aber alle nehmen als Basis die Ergebnisse der letzten Nationalratswahlen. Davon ausgehend wird mit verschiedenen Formeln und Gewichtungen versucht, an Hand einiger weniger ausgezählter Gemeinden das Gesamtergebnis möglichst genau vorherzusagen. Exit Polls, also Umfragen vor den Wahllokalen, brauchen die Hochrechner dafür nicht.

Dass die Hochrechnung für diese Wahl schwieriger wäre, erklärte nur einer der von der APA befragten Meinungsforscher. Franz Sommer von der ARGE Wahlen - die die Hochrechnung für ATV-Plus erstellt - verwies darauf, dass man hier ja "mit keiner sinnvollen Basis vergleichen" könne. Dennoch könne man an Hand von fünf bis zehn Prozent ausgezählter Stimmen das Endergebnis hochrechnen.

"Fiktives Vergleichsergebnis"

Das Modell der ARGE Wahlen ist recht aufwändig: Anhand von wahlstatistischen und demoskopischen Indikatoren wie der Nationalratswahl 2002 und Umfragen wird für jede Gemeinde und jeden Bezirk ein "fiktives Vergleichsergebnis" errechnet. Damit werden die Ergebnisse der ersten ausgezählten Gemeinden am Sonntag verglichen - und unter Einbeziehung der Abweichung auf das Gesamtergebnis hochgerechnet. Da ja nicht alle Gemeinden gleich sind, müssen sie gewichtet werden. In die Gewichtung bezieht Sommer Faktoren wie die Agrar-, Industrie- und Dienstleistungsquote, Bevölkerungsdynamik, Maturanten- und Akademikeranteil, Hochburgeneffekte, regionale Merkmale (Stadt/Land) ein.

Für Günter Ogris von SORA, der die Hochrechnungen für den ORF erstellt, gibt es keinen großen Unterschied zu anderen Wahlen. SORA wendet nämlich ein Wählerstrom-Verfahren an - "und das ist unempfindlich". "Wenn man so will, hat man für beide Kandidaten und die Nicht-Wähler eine Gleichung mit sechs Unbekannten - da braucht man nur sechs Gemeinden und kann diese Gleichungen auflösen", erklärte Ogris seine Methode.

Die sechs Unbekannten sind, wie viele SPÖ-, ÖVP-, FPÖ-, Grün-, Sonstige- und Nicht-Wähler der Nationalratswahlen einen Kandidaten (bzw. nicht) gewählt haben. An Hand der ersten ausgezählten Ergebnisse werden diese Wählerströme festgestellt. Sie legt SORA dann auf die noch nicht ausgezählten Gemeinden - natürlich ebenfalls gewichtet - um. Für die Gewichtung werden die Gemeinden in zehn bis 15 Typen eingeteilt werden, nach regionalen Merkmalen, Größe, Hochburgen etc.

Auch für den Statistiker Erich Neuwirth, der das Innenministerium bei der Erstellung des Hochrechnungsmodells beraten hat, ist die Berechnung für die Bundespräsidentenwahl "nicht wirklich schwierig". Er erklärt, stark vereinfacht, das Grundprinzip der Hochrechnung: "Nehmen wir an, die SPÖ-Wähler verteilen sich in allen Gemeinden zu immer dem selben Prozentsatz auf die beiden Kandidaten. Dann kann ich, wenn ich die Ergebnisse aus einigen Gemeinden habe, rückrechnen, wie die Prozentsätze sein müssen." Das "Anspruchsvolle" für die Hochrechner ist, dass die Prozentsätze nicht in allen Gemeinden gleich sind - also die Gemeinden gewichtet werden müssen.

Ein schwieriger Sonderfall ist für die Hochrechner bei jeder Wahl die Bundeshauptstadt. Alle Wiener Wahllokale schließen erst um 17.00 Uhr - womit die Hochrechnungen ohne ein einziges Wiener Ergebnis erstellt werden müssen. Aber die Wiener fallen ins Gewicht, machen sie doch gut 20 Prozent der Wahlberechtigten aus.

Auch hier gibt es verschiedene Methoden: Die ARGE Wahl rechnet auch für Wien ein fiktives Vergleichsergebnis aus. Das wird mit Resultaten von "Testgemeinden" - aus dem Umland von Wien, Graz und Linz - verglichen. Dann wird an Hand der Abweichungen zwischen dem fiktiven Wiener und den ausgezählten Testgemeinden-Ergebnissen das Wiener Ergebnis abgeschätzt.

"Das hat schon mehr mit Schätzen zu tun, mit den statistischen Methoden allein kommt man hier nicht weiter", sagt auch Neuwirth. Er beschreibt eine andere Methode: Man definiert "Nachbarschaftsbeziehungen" zwischen den Bundesländern. "Also man geht davon aus, dass die Prozentsätze, wie sich die SPÖ-Wähler verhalten haben, im Burgenland oder Niederösterreich dem Wiener Ergebnis näher kommen als die von Vorarlberg". An Hand dieser Vergleichs schätzt man dann "mit einem Methoden-Mix" das Wien-Ergebnis ab. (APA)