Die Klage von "Krone"-Chef Hans Dichand gegen den STANARD wurde in erster Instanz abgewiesen. Das Kleinformat transportiert "rassistische und antisemitische Untertöne", sagte die Richterin: "Der Wahrheitsbeweis ist geglückt." Die "Krone" meldete Berufung an, das Urteil ist nicht rechtskräftig. Auszüge der Beweisführung:

Knapp 60 Seiten umfasst die Dokumentation von Hans Rauscher, wegen dessen Kolumne Hans Dichand klagte, und Anwältin Maria Windhager. Sie zitieren insbesondere Richard Nimmerrichter, der 37 Jahre lang als "Staberl" schrieb, und Wolf(gang) Martin(ek), der fast täglich "in den Wind (ge)reimt".

Beide verwendeten "durchgängig und über große Zeiträume hinweg das Instrument des ,sekundären Antisemitismus‘: Andeutungs- und Anspielungsformen, die Bezüge zu weit verbreiteten antisemitischen Ressentiments herstellten".

"Methoden eines Massenmordes" lautet der Titel der "Staberl"-Kolumne vom 10. Mai 1992. Kernaussage: "nur verhältnismäßig wenige der jüdischen Opfer sind vergast worden". Die große Mehrzahl sei "verhungert oder erschlagen worden, durch Fleckfieber, Ruhr und Typhus umgekommen ... erfroren oder an Entkräftung verstorben". Dies, so Staberl, sei aber nichts anderes als in den "Kriegsgefangenenlagern der Russen" gewesen, wo auch zehntausende (deutsche Soldaten) umgekommen seien.

"Verharmlosung"

"Eine Strategie der Aufrechnung von Opfern und des Relativierens von NS-Verbrechen" konstatierten die Sprachwissenschafter Ruth Wodak und Helmut Gruber. Für sie zeigen "Wortwahl und Argumentation an einigen Stellen auch, dass der Autor die allgemein üblichen Denk- und Sprechweisen über die Judenvernichtung nicht akzeptiert, sondern indirekt an neonazistische und nazistische Verharmlosungs- und Verleugnungsstrategien nationalsozialistischer Verbrechen anschließt."

Über Entschädigung von - hauptsächlich jüdischen - NS-Opfern schrieb Staberl: "Wie oft wir erstens noch zu zahlen haben? Zweitens aber: Wie lang? Wie viel kommende Generationen noch? Müssen nach Söhnen und Enkeln auch künftige Urenkel zahlen? Da sind ja nicht nur die jüdischen Opfer Hitlers noch lang nicht mit dem zufrieden, was diese Österreicher da anbieten. Auch die Zwangsarbeiter, vertreten von jenen Advokaten, die nicht nur ums allgemeine Recht, sondern auch ebenso entschlossen für ihre Erfolgshonorare kämpfen, wollten ja mehr und immer mehr. Allgemeines Motto: Noch einmal und immer wieder!"

Die Diktion entspricht "klassischen antisemitischen und rechtsextremen Klischees", heißt es in der Dokumentation über Töne und "Untertöne" in der Krone. Zwangsarbeiter, vertreten "von (geldgierigen, jüdischen) Advokaten ,wollen ja mehr und immer mehr‘", haben aber vor 2000 überhaupt nichts bekommen.

Staberl ging 2001, Hausreimer Wolf Martin blieb.

1994 steht dieses Gedicht in der Krone, zur selben Zeit erschienen in rechten Publikationen Artikel, Scholten müsste den (jüdisch klingenden) Namen "Pfefferkorn" tragen.

Der Scholten ist bei uns Minister./
Oft Gast im Heil'gen Lande ist er./
Das ist schon gut. Das ist schon recht./
Wär's umgekehrt, wär's auch nicht schlecht.

2000 dichtet Martin:

Dass Juden jetzt aus Östreich flüchten,/
steht zu befürchten wohl mitnichten./
Denn selbst für ärgste Haider-Fresser/
lebt es sich wohl um Häuser besser/
im "Nazi-Land" der blauen "Schande"/
als im gelobten heilgen Lande ...

Antisemitische Konnotation wird durch die Unterstellung verstärkt, "sie blieben doch lieber da, weil es ihnen, geldgierig, wie sie sind, hier materiell besser geht, wobei der Wiener Dialektausdruck ,um Häuser besser‘ noch eine Anspielung auf jenen Besitz darstellt, den man den Juden (zu Unrecht?) restituiert hat".

Am 20. April, dem Geburtstag Hitlers, reimt Martin 1994:

Ich feiere, wenn man mich läßt,/
heut jenes Adolfs Wiegenfest,/
der einst in unserm schönen Land/
an allererster Stelle stand./
Er war eine Persönlichkeit./
Wir bräuchten ihn in unsrer Zeit./
Er hat die Menschen integriert,/
den Staat perfekt repräsentiert./
Die Oberhäupter heutzutage/
sind matt dagegen, ohne Frage./
Am Anfang hatte er es schwer,/
denn er war revolutionär./
Es brachte ihn sogar in Haft/
die reaktionäre Kraft./
Doch ändert in der Politik/
oft radikal sich das Geschick./
Es hat in seinen spätern Tagen/
seine Partei den Staat getragen./
Er war integer und legal,/
ein echtes Vorbild allzumal/
und Patriot mit jedem Nerv./
Das war ein Mann, der Doktor Schärf!

Am "großen Tag" 20. April 2001 endet er mit:

Ihm seis zur Ehre, uns zum Heil:/
"Taxi orange", der II. Teil!/!

Zum Thema Rassismus zitiert die Dokumentation die Erklärung einer Unesco-Konferenz 1995: "Rassismus ist der Glaube, dass menschliche Populationen sich in genetisch bedingten Merkmalen von sozialem Wert unterscheiden, so dass bestimmte Gruppen gegenüber anderen höherwertig oder minderwertig sind. Es gibt keinen überzeugenden wissenschaftlichen Beleg, mit dem dieser Glaube gestützt werden könnte."

"Völkisch-rassistisch"

Davon ließ es sich Staberl, davon lässt es sich Martin nicht verdrießen:

Selbst die, die nie beim Schleimen säumen,/
beginnen nunmehr einzuräumen,/
dass es im Süden Afrikas/
heut Unrecht gibt in höherm Maß,/
als dieses je der Fall gewesen/
unter den Weißen, diesen "Bösen"./
Zum intensiven Schwarz-Rassismus/
kommt noch der "schwarze Stalinismus",/

"Klar völkisch-rassistischen Duktus" sieht die Dokumentation auch hier:

Wobei der Völker beste Schichten/
sich durch Geburtenschwund vernichten./
Die Folgen sieht man jetzt schon reichlich:/
Der Niedergang ist unausweichlich./

Auch nationalistische Töne lässt Martin nicht aus:

Braucht die EU denn wirklich Polen?/
Norwegen sollte sie sich holen!/
Und mehr als Tschechien von Reiz/
wär doch für sie die wackre Schweiz!/
Doch diese beiden Selbstbewussten/
mit gutem Grund ihr etwas husten./

(DER STANDARD; Printausgabe, 24./25.4.2004)