Um sich als Richter und Staatsanwalt für den Saddam-Prozess zur Verfügung zu stellen, dazu gehört bei der katastrophalen Sicherheitssituation im Irak eine Menge Mut. Umso bedauerlicher ist es, dass das Tribunal, das über den Massenmörder Saddam Hussein zu Gericht sitzen soll, quasi mit dem falschen Fuß startet - nämlich mit dem Verdacht behaftet, nur Vollzieher des US-Willens zu sein.

Die Schieflage beginnt mit dem von den USA mit großem Druck durchgesetzten irakischen Interimsgrundgesetz, das nach der - so genannten - Souveränitätsübergabe Ende Juni gelten soll. Das Kriegsverbrecher-Sondergericht stehe völlig außerhalb dieser Verfassung, in der lediglich eine "Irakisierung" einer reinen Kreation der Besatzungsbehörden vollzogen werde, kritisieren Rechtsexperten. Indem man nun ausgerechnet den Verwandten des Pentagon-Lieblings Ahmed Chalabi in eine Schlüsselposition setzt (das Versorgen der Verwandtschaft mit Posten breitet sich in der neuen irakischen Politikerkaste aus wie die Pest!), verstärkt sich der Eindruck weiter, das Gericht solle am US-Band gehalten werden.

Verdächtig ist auch eine gewisse Eile: Nach dem Wegfall der von den US-Kriegsherren propagierten Kriegsrechtfertigungen - Massenvernichtungswaffen und Terrorverbindungen Saddam Husseins - würden sich dessen Verbrechen im US-Präsidentschaftswahlkampf ganz gut machen, das heißt man müsste bald beginnen. Aber der Schuss kann nach hinten losgehen, wenn der Saddam-Prozess nicht ordentlich vorbereitet wird - und gutes juristisches Personal ist klarerweise rar im Irak, die meisten Juristen sind entweder belastet oder sie waren zu lange im Exil oder sie sind als Opfer befangen. Im schlimmsten Fall wird dem Exdiktator mit dem Prozess ein Podium geboten, auf dem er seine Untaten als historisch notwendig präsentieren kann. Und dagegen ist man auf der arabischen Straße nicht immun. (DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.4.2004)