Heinz Fischer hätte ohne seine politische Heimat Wien diese Wahl nur ganz knapp, hauchdünn gewonnen. Dort entsprach der ehemalige Präsident des Nationalrats offenbar genau dem Bild, das sich eine starke Mehrheit der Bundeshauptstadt von einem Präsidenten macht. Dort sitzen die meisten jener Intellektuellen, die sich von ihm mehr Verständnis erwarten und die sein präziseres Geschichtsbewusstsein kennen. Dort konzentriert sich letztlich auch die Auseinandersetzung um Asyl- und Ausländerfragen.

Fischers Sieg entspricht der Umfragentendenz der letzten Wochen. Ursprünglich lag er acht bis zehn Prozent vorne. Die Regierungskandidatin Benita Ferrero-Waldner holte kontinuierlich auf, weil sie sich über ihr "Kampflächeln" hinaus als offensive Wahlwerberin erwies. Weil sie ohne Scheu auf die Leute zuging und damit auch bei den VPFunktionären Sympathien erwarb. Sie erwies sich in der bergigen Landschaft als besonders stark, die großen Städte waren nicht ihr Ding. Neben Wien hat sie auch in Graz und natürlich in Linz verloren.

Genau wegen ihres respektablen Abschneidens besteht jedoch kein Grund, Ferrero- Waldner als Außenministerin abzulösen. Mehr noch: Sie hat ihre innenpolitische Position gefestigt, sie kommt für andere Ämter ebenfalls infrage, beispielsweise für das Wirtschaftsministerium.

Ferrero hat vor allem drei Faktoren ihr gutes Abschneiden zu verdanken. Offenbar haben sich viele ältere Frauen über die Parteigrenzen hinweg gerade deshalb für Ferrero entschieden, weil von ihr keinerlei "feministische" Gefahr ausgeht. Zweiter Punkt (nach Wählerstromanalysen am Abend sogar der wichtigste) war die Frage nach der Auslandserfahrung. Hier war sie im Vorteil. Hier wurde sie zusätzlich durch ein Plakat unterstützt. Dritter Faktor: die Wahlempfehlung Jörg Haiders und seiner Partei. Sie hat nicht nur in Kärnten ihre Wirkung getan, aber andererseits Fischer in vielen Städten bisher Unentschlossene gebracht.

Aufseiten der SPÖ hat Alfred Gusenbauer vorerst einmal seinen Kopf gerettet. Der Sieg Fischers wird jedoch nicht die Debatte ersparen, ob man für die nächsten Nationalratswahlen nicht einen (so genannten) populären Spitzenkandidaten braucht. Etwa den ehemaligen Sinowatz-Sekretär und ORF-Generalintendanten Gerhard Zeiler. Dann käme es eben zu einer Kampfabstimmung, weil der ehrgeizige Gusenbauer nicht freiwillig das Feld räumen würde.

Mit Heinz Fischer in der Hofburg hat die SPÖ auf jeden Fall Selbstvertrauen getankt. Sein Sieg ist eine Rückkehr zu einer Tradition, die mit Rudolf Kirchschläger endete. Dort wird der neue Mann in der Hofburg anknüpfen und hoffentlich einige seiner Versprechen wahr machen. Denn die "Volksnähe" beispielsweise wurde noch von jedem später siegreichen Bewerber angekündigt, aber nie lange durchgehalten. Sprechtage sind halt mühsam.

Fischer hat sicher von der Enttäuschung über die Sozialpolitik der Regierung profitiert. Wahrscheinlich war er im Vergleich zur modisch manchmal etwas schrillen Mitbewerberin für konventionelle Seelen der Akzeptablere. Für weniger Betuchte der Nähere. Und für das riesige Heer an staatlichen und städtischen Beamten der Garant für eine korrekte Amtsführung. Sein größter Trumpf aber war die ziemlich klare Haltung zur Neutralität. Die Kandidatin hat zuletzt zwar ebenfalls auf die Neutralität gesetzt. Glaubwürdig war das nicht, angesichts ihrer jahrelangen fast emotionalen Plädoyers für einen Nato-Beitritt Österreichs.

Die nächste Debatte über diese Frage kommt bestimmt. Sichtbar wird dabei einer der großen Unterschiede zwischen Klestil und Fischer – der scheidende Präsident als Gegner der Neutralität, der künftige als ihr Befürworter. Wichtig wäre, würde der neue Bundespräsident es nicht bei Worten bleiben lassen, wenn die Vergangenheit des Landes zur Sprache kommt. Es wäre an ihm, die Realisierung des Projekts eines Hauses der Toleranz zu betreiben. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.4.2004)