TV-Nachrichtensendungen rauschen an rund 30 Prozent der Zuschauer in Deutschland einfach vorbei. Eine Studie der Universität Jena ergab, dass jeder Dritte sich nicht daran erinnert, was er gesehen hat. Vor allem jüngere Zuschauer seien durch Nachrichten kaum noch erreichbar, sagte der Autor der Studie, Georg Ruhrmann, am Montag bei den 37. Mainzer Tagen der Fernsehkritik. Das ZDF kündigte an, den Informationsanteil weiter steigern und zur "stärksten Säule" seines Programms machen zu wollen.

Im Zweifel für die "Tagesschau"

Viele Zuschauer könnten in Befragungen oft nicht angeben, welche Nachrichtensendung sie gesehen hätten, "halten das Gesehene aber im Zweifel für die 'Tagesschau' ", sagte Ruhrmann. Der Forscher machte in erster Linie Veränderungen im Medienkonsum für die Situation verantwortlich. Gerade im Osten Deutschlands schauten junge Menschen kaum noch die öffentlich-rechtlichen Sender. Zudem werde in den neuen Bundesländern immer weniger Zeitung gelesen, was insgesamt die mediale Orientierung erschwere: "Durch das Nicht-Zeitunglesen bricht was weg."

Nach der Studie ist in den vergangenen zehn Jahren der Anteil der politischen Berichterstattung in deutschen Nachrichtensendungen zu Gunsten von Berichten über zwischenmenschliche Themen zurückgegangen. Nach Ruhrmanns Worten wurden insgesamt 2.400 TV-Nachrichtensendungen aus den Jahren 1994 bis 2003 analysiert, zudem Journalisten und Zuschauer befragt. Zudem spielten im Fernsehen heute die Beschaffung spektakulärer Bilder eine zunehmend größere Rolle, sagte der Medienwissenschafter: "Die Redaktionen riskieren, dass die Bilder dominieren, aber die dahinter liegenden Zusammenhänge nicht sichtbar werden."

Mehr und qualitativ höherwertige Informationsangebote nötig

ZDF-Intendant Markus Schächter hält mehr und qualitativ höherwertige Informationsangebote für nötig, wie er in Mainz sagte. Angesichts internationaler Krisen und massiver gesellschaftlicher Umbrüche seien die Zuschauer auf Orientierung durch die Medien angewiesen: "Sie erwarten mehr denn je intensiv recherchierte Tiefeninformation, globale Erkundungen, begründete Prognosen."

Komplette Programmtage zu Schwerpunktthemen

Schächter sagte, das ZDF werde sein Informationsangebot künftig stärker bündeln. Ab Herbst oder Winter 2004 werde es komplette Programmtage zu Schwerpunktthemen wie Arbeit, Bevölkerungsentwicklung oder Rente geben. ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut kündigte an, das ZDF wolle in den kommenden Jahren die BBC bei großen Dokumentationen übertreffen: "Wir werden mehr Geld da investieren." Ausgezeichnete TV-Dokumentationen seien ein Format, das insbesondere auch jüngere Zuschauer anspreche.

ARD-Programmdirektor Günter Struve verteidigte die hohen Ausgaben von ARD und ZDF für internationale Sportrechte wie die Fußball-Weltmeisterschaft. Ohne derartige Großereignisse ließen sich auch Informationsangebote nicht wirksam einem Massenpublikum näher bringen, sagte Struve. Dies zeige das Beispiel Arte, wo Dokumentationen, die nachfolgend in ARD und ZDF gezeigt würden, dort deutlich mehr Zuschauer anzögen. (APA/AP)