Noch heute kann sie ihren Ärger nicht zurückhalten, blitzen die dunkelblauen Augen der 52-jährigen Gabriele Werner zornig das Visavis an, welches doch nur unschuldig-neidisch die jüngste Parsifal-Premiere in der Wiener Staatsoper angesprochen hatte. Die Inszenierung der deutschen Regisseurin Christine Mielitz hatte wahrlich nicht nur Begeisterung, sondern auch geharnischte Proteste gegen diese Interpretation des Bühnenweihfestspiels hervorgerufen. Vor allem ihre Darstellung der Gralsrunde als heruntergekommenen Männerbund stieß auf lauten Widerspruch.

Viel mit Musik am Hut

Doch Gabriele Werner, die den Parsifal in der Zwischenzeit schon zwei weitere Male gehört und gesehen hat, hält genau diese Interpretation für schlüssig. Und sie verweist darauf, dass sie sich vor der Premiere bei einem Auftritt der Mielitz im ORF-Kulturhaus mit deren Anschauungen vertraut gemacht hatte. Überhaupt die ganze Vorstellung und ihre Protagonisten, allen voran Thomas Quasthoff, der zwergenhafte Bassbariton, der den Amfortas gab - Gabriele Werner ist kaum noch zu stoppen: Ohne Zweifel, die Dame, die immerhin seit kurzem Gesellschafterin von Neumann & Partners ist, hat mit Musik noch viel mehr am Hut, als der Blick aus ihrem Büro auf die vis-à-vis liegende Staatsoper ohnehin vermuten lässt.

Musik hat auch schon in Salzburg, ihrem Geburtsort, eine Rolle gespielt. Schon während ihres Jus-Studiums und später dann bis zum ersten Studienabschnitt auf der Welthandelshochschule hatte sie Klavier- und Geigenunterricht und übte auch den Gesang.

Berufswunsch Sängerin

Und Klein Gabriele lernt in dieser Zeit auf dem Salzburger Landestheater auch die Bretter, die die Welt bedeuten, kennen: als erster Knabe in Mozarts "Zauberflöte". "Ich wollte eigentlich immer Sängerin werden", sagt sie heute, ohne Bedauern darüber, dass sie es nicht geworden ist. Geworden ist sie die "Frau Rat", Richterin für Zivilrechtsangelegenheiten in Salzburg und in Linz-Urfahr: "Ich hab' das sehr gerne gemacht."

Aber als sie auf die 30 zugeht, hat sie sich ausgerechnet, wie es weitergehen könnte: "Richterin am Obersten Gerichtshof wäre ich geworden", weiß sie, aber auch, dass sie das nicht wollte.

Und sie geht nach Deutschland, zu einer der führenden Wirtschaftsprüfungskanzleien, Rödler & Partner. Daneben versucht sie ihr Studium der Handelswissenschaften fertig zu machen. Der private Seitenschritt scheitert, sie wird geschieden und geht in die große weite Finanzwelt, für Merrill Lynch International nach London und New York.

Vorteile in der Männerwelt

1992 kehrt sie zurück nach Deutschland, wird Consultant bei Egon Zehnder International - damals so etwas wie der Doyen in Sachen Executive Search -, wechselt nach zwei Jahren zur seinerzeit größten Personalberatung Deutschlands, Amrop Mülder & Partner. Spätestens dort, sagt sie heute, war sie sich bewusst, dass sie als Frau in dieser Männerwelt eigentlich vor allem Vorteile hat, wenn sie sich nur an diese Maxime hält: "Spiele mit und nie dagegen."

Bevor Feministinnen vollends den Stab über Gabriele Werner brechen, noch rasch ein weiteres Zitat von ihr über die Unterschiede von Mann und Frau: "Sie (die Frauen) sind sprachlich begabter, schneller beim Studieren und besser beim Organisieren."

Wie auch immer - 1997 ist sie mitverantwortlich für den Merger von Mülder & Partner mit Heidrick & Struggles, einem börsennotierten US-Unternehmen, und beginnt in Wien mit dem Aufbau einer österreichischen Niederlassung. Und sie verhilft der ÖIAG ebenso zu Vorstandsmitgliedern wie der AUA zu Aufsichtsräten und der OMV zu einem Finanzvorstand.

Kunst & Business

Ende 2002 zieht sich Heidrick & Struggles aus den mittel- und osteuropäischen Aktivitäten zurück, was zu einem kurzen Intermezzo bei Neumann International führt, das bis Ende Februar 2004 andauert. Seit dieser Zeit bezieht sie ihr neues Büro gegenüber der Oper im Palais Todesco, dem legendären Sitz der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), und ist jetzt Partnerin von Neumann & Partners, die sich auf mittel- und osteuropäische Staaten konzentriert und ebendort Niederlassungen aufmacht.

Doch auch in Österreich setzt sie ihre Aktivitäten, wobei ihr ihre künstlerischen Neigungen behilflich sind: Sie hat eine eigene Künstleragentur aufgebaut, sammelt zeitgenössische Maler und unterstützt junge Künstler, wie etwa Julian Rachlin, der von ihr eine wertvolle Storioni-Bratsche bekam. Für sie ist das eine Kapitalanlage - diese Musikinstrumente müssen ständig gespielt werden, dadurch steigt auch ihr Wert.

Julian Rachlin gibt auch in ihrem Privatsalon Konzerte für geladene Gäste, etwa Geschäftskunden. Und der Bösendorfer-Flügel, der ebenfalls bei ihr Platz gefunden hat, will auch gespielt werden. Nicht nur von ihr selbst - "eine halbe Stunde täglich, am Wochenende mehr".

Schwerpunkt Klassik

Schwerpunkt ist Klassik, aber auch die Wiener Moderne wie Schönberg. Oder sie organisiert vor Beginn der Dürer-Ausstellung in der Wiener Albertina einige Tische für ihre Klienten, Spezialführung inklusive. Kunst und Geschäft - das war ja auch in Zeiten gekrönter Häupter Strategie.

Ans Aufhören denkt die Headhunterin noch nicht, aber "ich kann nicht ewig den anderen den Platz versitzen, so mit 60 oder 65 will ich mich allmählich etwas zurückziehen".

Mit ihrer Musik und mit ihrer wöchentlichen Golf-Einheit dürfte es ihr nicht fad werden. (Fritz Pesata, DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.4.2004)