Das rote Stimmungshoch nach Fischers Wahlsieg sollte die SP-Funktionäre nicht dazu verleiten, sich schon am Sprung ins Kanzleramt zu wähnen. Dafür hat der "Möchtegern und Weißnichtwie" an der Parteispitze schon zu viele "Winner" ins Out geschlagen.


Österreichs Sozialdemokraten haben Grund zum Feiern, und der 1. Mai ist dazu eine passende Gelegenheit. Gusenbauer, der nach Auffassung innenpolitischer Kommentatoren jetzt wieder freier atmen kann, wird eine Rede halten, das Wetter wird hoffentlich strahlend sein, ein Viktor-Adler- Wetter wünschen wir uns, aber egal, der Applaus wird auf jeden Fall an die Tribüne branden. Linke Mehrheit bei den Landtagswahlen in Salzburg, linke Mehrheit für Fischer in Oberösterreich, Niederösterreich und der Steiermark! Die Schwarz-Blauen auf Kärnten reduziert. Gusenbauer wird glauben, jetzt hat der den Turnaround geschafft. Morgen am Rathausplatz, übermorgen am Ballhausplatz. – Aber ist Gusenbauer besser geworden, nur weil Burgstaller und Fischer gewonnen haben?

Die SPÖ hatte seit Herbst 2002 vier echte Chancen zu siegen, zwei, die letzten Nationalratswahlen und Kärnten, wurden vergeben, eine, Salzburg, wurde furios genutzt, und die letzte, die Bundespräsidentenwahl, konnte Heinz Fischer offenbar gar nicht verlieren, trotz einer Langweilerkampagne, die die Jugend in die Flucht trieb (was bei unserer Bevölkerungsstruktur immer weniger ausmacht). Fischer ist einfach der geborene Bundespräsident, einerlei, welche Plakate an den Wänden kleben. Die Österreicher spürten das und hatten nur zwei Möglichkeiten: ihn zu wählen oder sich darüber schwarz und blau zu ärgern.

Gusenbauer aber ist leider nicht der geborene Parteivorsitzende. Das Drama des‑ begabten Funktionärs, ein Möchtegern und Weißnichtwie. Am 7. März, dem Tag des Triumphes in Salzburg, charterte Gusenbauer ein Privatflugzeug, um erst unauffällig in Klagenfurt vorbeizuschauen und dann nach Salzburg zu jetten und dort im Licht von Gabi Burgstallers Erfolg zu‑ stehen. Aber daraus wurde nichts, er stand in ihrem Schatten, auf den Fotos, die anderntags erschienen, konnte das jeder sehen.

Und so lebt er in einer Scheinwelt der Meinungsprozente, die die sozialdemokratische Partei mittlerweile schon länger wieder an der Spitze sehen. Er und sein fescher Hutschenschleuderer im Parlament verlassen sich darauf, dass es von allein geht, weil sich die ÖVP-FPÖ-Regierung mit ihrer unförmigen Politik schon selbst ruinieren wird. Den Erfolg Burgstallers und Fischers halten sie für den Beweis der Richtigkeit dieser Strategie.

Die Zukunftswerkstatt war schon vorher nicht in besten Händen und befindet sich jetzt in denen einer rührenden Pastorin. Dazu passt der optische Auftritt. Bis heute gelang es Gusenbauer nicht, die Bundes-SPÖ von ihrer unseligen großkoalitionären Vergangenheit, in der es nur mehr um Posten und nicht mehr um Politik ging, glaubhaft abzukoppeln und ihr ein neues, sozialdemokratisches Profil zu geben. Sie aus einer Partei, die Probleme nur noch verwaltet hatte, zu einer Partei zu machen, die die Probleme unserer Zeit auch zu lösen imstande ist. Kritik der Regierung ist dafür zu wenig. Der FPÖ-Flirt zu opportunistisch. Und sich als Rotweinexperte zu outen, könnte Fischer vielleicht etwas Farbe geben, Gusenbauer schadete auch das. Wieder sieht man: möchte gern und weiß nicht wie. Wer in besseren Zeiten den ORF rot eingefärbt hat, macht keinen guten Eindruck, wenn er sich da^rüber beschwert, dass die ÖVP jetzt das Gleiche tut, nur noch konsequenter.

Leute, die Gusenbauer persönlich kennen, erzählen von beeindruckenden Qualitäten. Die Begabung, die Mehrheit der Österreicher davon zu überzeugen, dass die SPÖ in Zukunft mehr Gewissen und mehr Fairness haben wird als vor dem Oktober 1999, gehört bedauerlicherweise nicht dazu.

Kreisky, schau oba!

Warum hat man das nicht schon im Frühjahr 2000 gemerkt, als Gusenbauer vom Parteivorstand aus dem Hut gezogen wurde? Eben deshalb: Weil er aus dem Hut gezogen wurde, statt sich im Wettstreit gegen potente Konkurrenz auf dem Parteitag bewähren zu müssen. 1967, als Kreisky nach dem Wahldebakel und der ÖVP-Alleinregierung zum neuen Parteivorsitzenden gewählt wurde, war das anders. Dieses spannende, demokratische und für die Partei segensreiche Ringen darum, wer der Beste für diese Position ist, war nur möglich, weil Kreiskys Vorgänger Bruno Pittermann als Wahlverlierer schon zu schwach – und Heinz Fischer noch nicht stark genug war, um es zu verhindern. Klammheimlich ist auch das ein Grund, sich zu freuen, dass Heinz Fischer in die Hofburg entschwebt. Vielleicht gibt das dem kommenden Parteitag wieder die Chance, die er 1967 hatte. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.4.2004)