Luxemburg/Brüssel - Fünf Monate nach dem Verzicht der EU-Finanzminister auf Sanktionen gegen die Defizitsünder Deutschland und Frankreich haben die europäischen Institutionen erstmals vor Gericht über den Stabilitätspakt gestritten. Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) prallten dabei am Mittwoch in Luxemburg die Auffassungen unversöhnlich aufeinander.

Laut Kommission verstößt die Aussetzung der Defizit-Strafverfahren gegen Berlin und Paris gegen die Regeln des Stabilitätspaktes und damit gegen EU-Recht. Der Ministerrat, in dem die EU-Staaten vertreten sind, sieht die Stabilitätsvorschriften hingegen nicht als verletzt an.

Drittes Eilverfahren in der EuGH-Geschichte

Der EuGH eröffnete im Jänner zum dritten Mal in seiner Geschichte ein Eilverfahren, das im Sommer entschieden werden soll. Die EU-Kommission als "Hüterin des Stabilitätspaktes" hatte bereits erklärt, sie wolle nicht politische Beschlüsse verhindern, sondern zentrale Entscheidungsabläufe in der EU vom Gericht klären lassen.

Der neue Währungskommissar Joaquín Almunia machte deutlich, seine Behörde werde auch weiterhin auf die Einhaltung des Paktes pochen.

Das Verfahren vor dem EuGH ist vorläufiger Höhepunkt des seit Jahren dauernden Streits zwischen Brüssel und Defizitsündern wegen Einhaltung der Neuverschuldungsgrenze von drei Prozent.

Hohe Strafen

Bei den ausgesetzten Verfahren drohen in letzter Konsequenz hohe Strafen; für Deutschland sind dies bis zu zehn Mrd. Euro, für Frankreich stehen bis zu 7,5 Mrd. Euro auf dem Spiel. Dazu kommt, dass die EU-Kommission nun auch Italien wegen seiner steigenden Neuverschuldung von den EU-Finanzministern verwarnen lassen will.

Indes hat die EU-Kommission für das EU-Budget 2005 eine Erhöhung der Ausgaben auf 109,5 Mrd. Euro vorgeschlagen - eine Steigerung um 9,7 Mrd. Euro. Die Mehrausgaben hängen mit der EU-Erweiterung, der Agrarreform und einer verstärkten Ausnützung der Strukturfonds zusammen, hieß es.

Der Haushalt muss erstmals von allen 25 künftigen EU-Staaten und dem EU-Parlament beschlossen werden. (DER STANDARD Printausgabe, 29.04.2004 APA, Reuters)