derStandard.at: Sie waren Spitzenkandidatin der KPÖ Kärnten bei den letzten Landtagswahlen. Was bedeutet für Sie Kommunismus?
Judith Götz: In einem Satz: die freie Assoziation freier Individuen.
derStandard.at: Sie selbst sind ja parteilos. Warum haben Sie als unabhängige Kandidatin für die KPÖ kandidiert?
Götz: Weil ich der Meinung bin, dass sie die einzige Partei ist, die noch politische Inhalte vertritt und bis zu einem gewissen Grade auch lern- und wandlungsfähig ist. Parteilos deswegen, weil ich keine Anhängerin von Parteistrukturen bin.
derStandard.at: Ihre Kärntner Liste nannte sich "Junge Linke". Will sich die KPÖ nun als junge Partei positionieren? Oder wird hier aus der Not eine Tugend gemacht? Frei nach dem Motto: "Wer mit 20 nicht MarxistIn war, war nie jung - wer es mit 40 noch ist, wird nie erwachsen."
Götz: Lieber 40 und MarxistIn als mit 20 schon KonformistIn. Zum Namen der Liste: Vielleicht haben wir nicht die bestmögliche Formulierung gefunden. Aber er verdeutlicht, dass Veränderungen innerhalb der Partei möglich sind - in Bezug auf Namen, Personen und auch Inhalte.
derStandard.at: Stichwort Kärnten: Wie würden Sie die Situation der slowenischen Minderheit beschreiben? Welche Rolle spielt der Deutschnationalismus heute noch im südlichsten Bundesland?
Götz: Der Deutschnationalismus ist wandlungsfähig: wer sich gestern noch offen zum Deutschnationalismus bekannte, verwendet heute andere Worte. Doch die Inhalte haben sich nicht geändert – Minderheitenfeindlichkeit ist über die politischen Lager hinweg offensichtlich konsensfähig. Der institutionelle Verfassungsbruch zeigt die Situation der Minderheit: Toleriert wird sie, solange sie keine Forderungen stellt, auch keine legitimen. Sobald aber Minderheitenrechte eingefordert werden, empören sich die Deutschnationalen und Co. über die "Unruhestifter".
Völlig ignoriert wird der EU-Beitritt Sloweniens. Doch die wirtschaftliche Rolle des Nachbarn wird in einer peripheren Region wie Kärnten langfristig auch Wirkung zeigen. Bei der Anmeldung zum zweisprachigen Unterricht in den Schulen gibt es ja positive Entwicklungen, die auch die mächtigen alten Herren der rechtsextremen Vereine nicht verhindern können.
derStandard.at: Sie wollten im Laufe Ihres Wahlkampfes den Kärntner Heimatdienst abschaffen, wie stehen Sie jetzt dazu?
Götz: Ich stehe weiterhin zu dieser Forderung. Dass sich außer der Kommunistischen Partei niemand für dieses Verbot einsetzt, verdeutlicht nur, dass die wenigen vernünftigen - und von den Alliierten aufgezwungenen - Gesetze zum Schutz von Minderheiten nur auf dem Papier existieren – für ihre Umsetzung interessiert sich niemand.
derStandard.at: Einige Zeit lang - solange der KPÖ der Zugriff auf ihr Vermögen winkte - hatte man ja wenige Nachwuchsprobleme. Ist das jetzt - nach dem Urteil gegen die KPÖ, der Einstellung der Volksstimme und der Entlassung aller MitarbeiterInnen - anders, sind viele abgesprungen? Was heißt es, eine Aktivistenpartei zu sein?
Götz: Naja, die Idee der Umwandlung der Partei in eine Aktiengesellschaft ist wohl gestorben. Soweit ich es von außen mitbekomme, gibt es keine Auflösungstendenzen. Dafür zieht eine realistische Selbsteinschätzung ein, die lange gefehlt hat.
derStandard.at: Die KPÖ grundelt auf niedrigem Niveau, aber gerade auf regionaler und kommunaler Ebene gewinnt sie wieder Prozentpunkte. Wie viel kann eine KPÖ in Österreich derzeit erreichen? Welche Strategien sollte sie anwenden, welche WählerInnengruppen ansprechen?
Götz: Das Hauptproblem ist, dass ÖsterreicherInnen tendenziell strategisch wählen, also das so genannte kleinere Übel dem größeren vorziehen. Dass dabei großteils ohnehin das gleiche rauskommt, hat sich in Kärnten am klarsten bei jenen gezeigt, die meinten, ihre Stimme für die SP-Kärnten würde Haider verhindern. Politische Inhalte – sofern diese überhaupt vorhanden sind - rücken damit komplett in den Hintergrund. Ich würde mir wünschen, dass die Kommunistische Partei auf Grund von Standpunkten und Inhalten gewählt wird. Sie sollte sich auf keinen Fall "wählbar machen", indem sie sich an die hegemonialen Strukturen in Österreich anpasst. Wieviel Prozent die KPÖ allerdings damit erreichen kann, ist schwer einzuschätzen.
derStandard.at: Sollte die KPÖ - bei entsprechender Stärke, z. B. also in Graz - in eine Koalition gehen? Und mit wem? Bzw. mit wem nicht?
Götz: In Kärnten hätte ich mich auf jeden Fall gegen jegliche Form einer Koalitionsbeteiligung ausgesprochen. Abgesehen von der offenkundigen Minderheitenfeindlichkeit der drei etablierten Parteien, welche sich ja sogar in einem „Drei-Parteien-Pakt“ manifestiert, sind auch in den Standpunkten der Grünen im Bezug auf die Minderheit kaum bis gar keine Unterschiede mehr zu finden. Das gilt auch für ganz Österreich - für mich gibt es hier keine Koalitionsmöglichkeiten.
derStandard.at: Sie haben knapp ein Jahr in Guatemala und Nicaragua in diversen sozialen Projekten gearbeitet; haben Sie auch in Österreich Kontakt zu den jeweiligen Solidaritätskomitees? Sind Sie im Bezug auf Lateinamerika in irgendeiner Form politisch aktiv?
Götz: Ich muss gestehen, dass mich organisatorische Arbeit wie Spenden-Sammeln nie interessiert hat. Und die Organisationen hierzulande haben mich nicht überzeugt: auf Grund des meistens sehr exotistisch geprägten Zugangs ihrer MitarbeiterInnen und des ewigen Schwarz-Weiß-Malens zwischen bösem Nord- und gutem Süd-Amerika. Mich interessiert eine kritische Auseinandersetzung, mit den Linken vor Ort, den indigenen Gruppen und auch mit den Solidaritäts-Bewegungen. Veranstaltungen dieser Art sind in Wien kaum zu finden, in Kärnten noch weniger, aber wenn es mir irgendwie möglich ist, bringe ich mich da natürlich ein.
derStandard.at: Wie schätzen Sie die Chancen für eine neue „Europäische Linkspartei“ ("Linke - Opposition für ein solidarisches Europa") bei den EU-Wahlen ein? Werden Sie diese wählen?
Götz: Im Moment ist die Kandidatur in Österreich noch nicht gesichert, ich denke aber, dass die dafür nötigen Unterstützungserklärungen aufgetrieben werden können. Ich sehe da aber schon auch die Gefahr, dass in der EU sozialdemokratische Positionen die Überhand gewinnen könnten. Dadurch könnte die Kritik an der EU leiden, die sich als neue "Weltmacht" militaristisch gebärdet und die Vormachtstellung der US in der internationalen Politik durch krude Allianzen untergraben will. Denn die Geschäfte und Koalitionen mit Diktaturen wie dem Iran, China oder Libyen und die allgemeine Auf- und Umrüstung zeigen, dass es kein besseres Europa gibt und Hoffnungen darauf utopisch sind. Dennoch sollten kritische BeobachterInnen sich bei diesem relativ "offenen" Projekt einmischen und Kritik anbringen, um solchen Tendenzen entgegenzuwirken.
derStandard.at: Stichwort EU: Sollte es eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung geben?
Götz: Ja, aber dadurch wird sie auch nicht besser.
derStandard.at: Die KPÖ hat sich gegen den Krieg im Irak ausgesprochen. "Neben" den Giftgasangriffen auf die irakischen KurdInnen, sowie der Vertreibung von 130.000 Jüdinnen und Juden wurden tausende KommunistInnen von Saddam Husseins Schergen gefoltert und ermordet. War Ihnen das Leben und die Freiheit irakischer GenossInnen kein Anliegen?
Götz: Ich denke, dass es innerhalb der KP nicht nur einen, sondern mehrere Standpunkte gibt - auch zum Irak- Krieg. Tatsache ist, dass sich die große Mehrheit sehr klar gegen den Krieg ausgesprochen hat. Die Begründungen dafür reichen von plumpem Antiamerikanismus über stumpfen Pazifismus bis hin zu differenzierteren Haltungen, die sehr wohl die positive Wendung und die Chancen erkannten, die der Sturz des baathistischen Terrorregimes mit sich brachte. Ich selbst zähle mich zu den letzteren und glaube damit auch annähernd die Anliegen und die Interessen der in Österreich lebenden kommunistischen IrakerInnen zu teilen.
derStandard.at: Also weg von der reflexhaften Verteufelung der USA und ihrer Politik?
Götz: Zwar sehe ich in den USA auch nicht die unangezweifelten Verfechter der Demokratie oder ähnliches. Kriege haben immer Gründe, meist ökonomische. Aber was dabei ausgeblendet wird, ist die Tatsache, dass auch die Anti-Kriegshaltung, wie beispielsweise in Deutschland, durch ökonomische Interessen motiviert war. Eine Demokratisierung ist sicherlich ein Fortschritt für den Irak. Nicht nur, dass eine grausame Diktatur beendet wurde, sondern auch weil es nun möglich scheint, Frauen in führende Positionen zu bringen oder weil man mehr als eine Partei in der Regierung vorfindet.
Dass dieser Prozess jedoch laufend gehemmt wird und teilweise auch Rückschritte macht, ist meiner Meinung auf den Terrorismus zurückzuführen. In Bezug auf den Irak sind das jene islamistischen Gruppierungen und Überreste der BaathistInnen, die durch Selbstmordanschläge und dergleichen den Irak beziehungsweise die dort lebenden Menschen terrorisieren. Doch allgemein ist Terrorismus ein Problem, mit dem die Welt nicht erst seit dem 11.September konfrontiert ist.
derStandard.at: Was sind Ihre persönlichen Pläne für die nächsten Jahre?