CNN-Manager Chris Cramer

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Journalisten sind zu Zielscheiben geworden. Manchmal durch Zufall, manchmal durch Unfall, aber viel zu oft werden wir ganz absichtlich von Leuten ins Visier genommen. Es gehört immer mehr zum Alltag unserer Kollegen und Freunde, dass sie im Zuge ihrer Arbeit angegriffen, verletzt, sogar getötet werden.

Die amerikanischen Fernsehanstalten trafen sich zur Krisensitzung. Wenige Tage nachdem ein lokaler Kameramann von ABC von US-Soldaten in Falluja getötet wurde. In derselben Woche wurde ein Übersetzer für das Time Magazine angeschossen, er starb kurze Zeit später in Bagdad. Nur einige Wochen zuvor verlor CNN zwei Kollegen bei einem gezielten Angriff auf unseren Konvoi. Diese Angriffe sind gang und gäbe geworden. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass ein Journalist Gefahr läuft, eingesperrt, angegriffen oder getötet zu werden.

Bis zum letzten Jahr dachten wir, dass sich der hohe Blutzoll während des Afghanistan-Krieges nach dem 11. September 2001 nicht wiederholen würde. 2003 verloren wir 16 Kollegen während weniger Wochen im März und April, mehr als je zuvor in so kurzer Zeit. Seit damals hat das Morden nicht aufgehört. 21 Tote seit dem so genannten Kriegsende am 14. April letzten Jahres, nicht zu reden von 25 weiteren Journalisten, die in Ausübung ihrer Arbeit an anderen Schauplätzen weltweit getötet wurden.

Wir müssen die Tatsache akzeptieren, dass Journalisten nicht länger als Beobachter angesehen werden. Noch immer leugnen sie viele, statt sich für den Schutz von Journalisten einzusetzen. Sie verharren in einer Scheinwelt journalistischer Makellosigkeit.

Mich begeistert nicht, dass sich CNN und andere Medien gezwungen sehen, ihren Journalisten Sicherheitsberater und -kräfte beizustellen, in manchen Fällen auch bewaffnete. Aber als Geschäftsführer von CNN werde ich keinesfalls zulassen, dass man unsere Leute einschüchtert, attackiert oder tötet.

Schmutzige Arbeit

Viele Medien werden beschließen, der Einsatz sei viel zu hoch, um aus Kriegsgebieten wie dem Irak zu berichten. Sie werden zu dem Schluss kommen, dass die Verluste an Journalisten und an Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, sehr schnell so groß werden, dass wir uns ausklinken sollten. Nicht mehr berichten - wieder in unsere gemütlichen Büros zurückkehren und die Agenturen unsere schmutzige Arbeit für uns erledigen lassen.

Jenen Leuten nachzugeben, die uns mundtot machen wollen. Den gleichen mörderischen Gruppen und Regimes weichen, die alles versuchen, um den Informationsfluss zu stoppen. Wenn das geschieht, wäre das das Ende des Journalismus, den wir kennen.

Wir müssen eine Lösung finden. Und diese Lösung muss nicht nur den Informationsfluss gewährleisten - sie wird gleichzeitig auch den Schutz unserer Leute gewährleisten müssen. (DER STANDARD; Printausgabe, 30.4.2004)