... und beweist am Südbahnhof das Gegenteil, meint Markus Mittringer.


Wien - "Im Zuge der postkolonialen globalen Migrationsbewegungen . . .", beginnt Peter Weibel einen Text zu einer Ausstellung von 14 Künstlern aus fünf Ländern in sieben Bahnhöfen. Wo sonst auch sollte mit einem "Kunstevent" ein deutlicheres "Zeichen" gesetzt werden denn an diesen "Orten des Ankommens und des Abreisens, der Bewegung und Veränderung", diesen "Knotenpunkten in einem Netzwerk von Linien und Verbindungen"?

Staatssekretär Franz Morak ist da mit Weibel ganz einer Meinung: "Bahnhöfe", schreibt auch er, "sind Orte des Ankommens und des Abreisens", und, fügt er folgernd an, darob "Orte der Begegnung". Die Ausstellungen (bis 31. 5.) auf den Stationen Wien (Südbahnhof), Bratislava, Brno, Graz, Szombathely, Villach und Ljubljana heißen allesamt EU & You und sind dem guten Willen entsprungen, die Erweiterung zu feiern, die Tatsache, dass jetzt noch viel mehr Menschen den richtigen Anschluss haben. "Kunst", grüßt Kanzler Wolfgang Schüssel vom Folder, "hat die Kraft, den Dialog über nationale Grenzen hinweg zu stimulieren."

Darum wohl heißt EU & You auch im Untertitel Kunst der guten Nachbarschaft und zeigt, formuliert Peter Weibel sprudelnd kategoriebildend, "Nomaden der Nachbarschaft" an einem "idealen Ausstellungsort". Franz Morak versteht die Ausstellungen zudem "als Teil der Arbeit am Gedanken der großen europäischen Erzählung".

In der Praxis schaut das dann so aus, dass man sich schon beim Betreten des Wiener Südbahnhofes unweigerlich die Frage stellt, ob das denn wirklich im Sinne einer guten Nachbarschaft war, jemanden hierher einzuladen, und ob nicht dem einen oder anderen Künstler als Geste ein anständiges Museum doch lieber gewesen wäre.

Abgesehen davon, dass man gleich zum Auftakt rein gar keine Kunstwerke sieht. Wenn man aber gerade keinen Zug erwischen oder, einen solchen verlassend, dringend wo anders hinmuss, bleibt genügend Zeit zur Suche. Giorgione findet sich da und auch Rembrandt, die gehören aber nicht zur Ausstellung, sind nur auf Plakaten vertreten, die den Ankommenden schnell weg in anständige Museen locken wollen. Als Profi vermutet man dann sofort hinter jeder Burgerbudenleuchtreklame Kunst, wird aber auch enttäuscht. Und das Leitsystem wurde auch nicht ansatzweise interventionistisch befragt.

Beim Druck eines Peter-Pongratz-Bildes nahe der "Ostbahnhof" genannten Gleise, hat man es aber dann geschafft, ist mitten in der Goodwill-Aktion, und via Internet auch gleich in Echtzeit einen Bahnhof weiter. Und schämt sich. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.4./1.5./2.5.2004)