Abuja - Die katholische Kirche Nigerias ist enttäuscht über den stockenden Fortgang des Demokratisierungsprozesses im Land. In einem Interview mit der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA machte der Vorsitzende der Nigerianischen Bischofskonferenz, Erzbischof John Onaiyekan, dafür die politische Elite verantwortlich. Das Land tanze am Rande des Abgrunds, beklagte der Erzbischof von Abuja laut Kathpress vom Freitag. Vertrauen

Das Volk hat nach Onaiyekans Worten das Vertrauen in die Politik verloren und zahlt einen hohen Preis für die schlechte Regierungsführung. Obwohl Nigeria der größte Erdölproduzent Afrikas sei, lebten 60 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Die Regierung kümmere sich weithin nur um das Management des Öls und vernachlässige die Belange der Bürger.

Onaiyekan räumte ein, dass in Nigeria nur schwer die Balance zwischen den Ansprüchen unterschiedlicher Ethnien und Religionen zu halten sei. Die offenen Konflikte seien aber auf einen politischen Missbrauch der Unterschiede zurückzuführen. Die umstrittene Einführung der Scharia, des islamischen kanonischen Rechts, in zwölf Bundesstaaten hätten nicht islamische Geistliche, sondern Politiker gefordert. Der Erzbischof warf dem nigerianischen Präsidenten Olusegun Obasanjo Untätigkeit vor und forderte ihn auf, den Rechtstaat und die religionsneutrale Verfassung durchzusetzen. Die Mehrheit der Muslime in Nigeria sei nicht fundamentalistisch. Islamisten stellten eine Minderheit dar, die politisch kontrolliert werden könne. Es gebe auch Fanatiker unter den Christen, vor allem bei evangelikalen Sekten. Versammlungs- und Meinungsfreiheit Für eine weitere Demokratisierung sei die Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu fördern, so der Erzbischof. Parteien müssten mit ihren unterschiedlichen Programmen an die Öffentlichkeit treten können. Onaiyekan verlangte freie Wahlen und forderte das Ausland auf, Nigeria zu einer guten Regierungsführung zu drängen. Viele Staaten gäben sich offenbar mit dem Anschein der Demokratie zufrieden. (APA)