Bagdad - Die Entführer dreier Italiener im Irak haben die Todesdrohung gegen ihre Geiseln aufgehoben und zugleich neue Forderungen für eine Freilassung gestellt.

Nach dem Friedensmarsch von Angehörigen und Freuden der Verschleppten sähen die Geiselnehmer ihre Forderung nach einem Protest gegen die Irak-Politik Italiens erfüllt, teilten die Entführer in einem Schreiben an den arabischen Fernsehsender El Dschasira mit. Nach dem Ende der US-Belagerung der sunnitischen Rebellenhochburg Falludscha nahmen am Samstag frühere Soldaten des gestürzten Machthabers Saddam Hussein Patrouillen zur Beruhigung der Lage auf. Ein Jahr nach dem erklärten Ende der Hauptkämpfe im Irak räumte US-Präsident George W. Bush ein, dass die US-Armee in dem Golfstaat harte Zeiten erlebt habe. Bundesaußenminister Joschka Fischer drängte die USA, den Vereinten Nationen (UNO) die Verantwortung für den politischen Prozess und die Rückgabe der Souveränität an den Irak zu überlassen. Bei Angriffen von Freischärlern wurden vier US-Soldaten getötet.

Protest anerkannt

Damit die drei italienischen Zivilisten auf freien Fuß kommen könnten, müsse sich Italien nun für die Freilassung von Mitgliedern einer Gruppe einsetzen, die von Kurden im Nordirak gefangenen gehalten werde, zitierte ein Sprecher El Dschasiras aus dem Schreiben der Entführer. Die italienische Regierung nahm dazu nicht Stellung. Am Donnerstag hatten Angehörige und Freunde der Geiseln mit einem Friedensmarsch in Rom für eine Freilassung demonstriert. Die Entführer hätten den Protest anerkannt und würden den Geiseln kein Leid zufügen, sagte der Sprecher des Senders nun. Im vergangenen Monat hatten sie einen vierten entführten Italiener erschossen, nachdem die Regierung in Rom den geforderten Abzug der Truppen aus dem Irak abgelehnt hatte.

In Falludscha feierten Einwohner der Stadt den Abzug der US-Truppen. "Sieg über die Amerikaner" hallte es von den Minaretten. Bewaffnete Rebellen jubelten in den Straßen, die voll waren von grünen Fahnen des Islam und Nationalflaggen des gestürzten Saddam-Regimes. "Die Verteidiger der Stadt feiern", sagte ein Einwohner. "Gott hat dieser Stadt den Sieg über die Amerikaner gegeben", hieß es aus einer Moschee. "Die tapferen Mudschahedin von Falludscha haben die amerikanischen Truppen besiegt." In der Stadt hatten sich rund 2000 sunnitische Rebellen verschanzt, darunter viele Saddam-Anhänger.

Die US-Truppen hatten am Freitag die Kontrolle über das von ihnen seit Wochen belagerte Falludscha an einen früheren General Saddams abgegeben. Mit dieser Abkehr von ihrer bisherigen Politik des Machtausschlusses aller Mitglieder des alten Regimes versuchen die USA, die Lage in der Stadt mit 300.000 Einwohnern zu stabilisieren. Die US-Regierung sei sich des Risikos der Vereinbarung mit Jasim Mohamed Saleh bewusst, da der Einfluss des Generals auf die Aufständischen unklar sei, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Die USA hätten sich zu der Vereinbarung mit Saleh entschlossen, um nicht die für den 30. Juni geplante Machtübergabe an eine irakische Übergangsregierung zu gefährden. US-Kommandeure sprachen von einem Experiment, dass wieder rückgängig gemacht werden könne.

Ein Jahr nachdem er am 1. Mai vorigen Jahres die Hauptkampfhandlungen im Irak für beendet erklärte hatte, sagte Bush am: "Wir stehen im Irak immer noch vor großen Herausforderungen." Es seien aber auch Fortschritte erzielt worden. "Ein Jahr danach ist das irakische Volk weit von der Grausamkeit und Korruption des Saddam-Regimes entfernt."

Bundesaußenminister Joschka Fischer sieht seine Warnungen vor einer Destabilisierung des Nahen Ostens und stärkerem Terrorismus durch den Irak-Krieg bestätigt. In einem Interview des Nachrichtenmagazins "Spiegel" drängte er daher erneut auf eine größere Rolle der UN im Irak. "Wir haben von Anfang an dafür plädiert, wie in Afghanistan zu verfahren: Die UNO leitet den politischen Prozess, nicht Amerika. Wäre das vor einem Jahr geschehen, sähe die Situation heute vielleicht etwas besser aus." (Reuters)