Amerikanische und britische Soldaten sehen sich selbst gerne als "professionals", als Profis, die das Kriegshandwerk tunlichst emotionslos und nur seinen sachlichen Anforderungen entsprechend auszuüben haben. Dieses Berufsbild hat in den vergangenen Tagen tiefe Schrammen abbekommen. Foto- und Videoaufnahmen zeigen, dass einige Mitglieder des militärischen Wachpersonals in der Abgeschiedenheit irakischer Gefängnisse ihr sadistisches Mütchen an den Insassen gekühlt haben. Wenn sich die vom Daily Mirror publizierten Fotos als authentisch erweisen, haben sich auch britische Soldaten brutaler Übergriffe schuldig gemacht. Damit würde auch die in Großbritannien oft gepflegte Überzeugung, die eigenen Leute verstünden sich weit besser auf den Umgang mit den Irakern als die Amerikaner, drastisch in Mitleidenschaft gezogen.

George Bush und Tony Blair haben die Vorfälle zwar scharf verurteilt, aber die tröstliche Wirkung dieser Verurteilungen wird sich in Grenzen halten. Selbst wenn nur eine kleine Minderheit daran beteiligt war, leisten die Exzesse doch der generalisierenden Interpretation Vorschub, dass die Besatzungsmächte im Irak rassistische Gewalt samt und sonders billigen oder gar gezielt einsetzen. Entsprechende Wortmeldungen aus dem arabischen Raum, wo Al-Jazeera und Al-Arabija die Folterbilder ausstrahlen, haben nicht lange auf sich warten lassen.

Sowohl bei der US- als auch bei der britischen Armee werden in nächster Zeit einige Köpfe rollen - und wahrscheinlich werden es nicht die Köpfe jener Geheimdienstleute sein, die nach Aussage der Brigadegeneralin Janis Karpinski die Folterer direkt zum Tun ermuntert haben sollen. Stattdessen werden wohl jene untergeordneten Chargen, denen sich eine direkte Beteiligung an den Übergriffen nachweisen lässt, über die Klinge springen müssen. Den gigantischen Imageschaden kann das allenfalls begrenzen. Zur Gänze reparieren lässt er sich nicht mehr. (DER STANDARD, Printausgabe, 3.5.2004)