Verkehrsverbindungen zwischen Wien und Bratislava. Der Stand der Dinge in der Verkehrsplanung Ost: "Es mangelt nicht an grenzüberschreitender Kommunikation, sondern an ihrer Verbindlichkeit."

Grafik: STANDARD
"It was a train that took me away from here, but a train can't bring me home."
Tom Waits, Train Song

Damals, in der guten alten Zeit, da ist man mit der Straßenbahn bis zur Preßburger Oper gefahren, und nach der Vorstellung wieder zurück. Vor diesem nostalgischen Bild sieht ein aktueller Reisebericht - ob im Auto oder in der Bahn - schlecht aus: antiquierte Züge, mit dem Auto eine schleppende Grenzabfertigung. Dabei soll der Verkehr zwischen den beiden Regionen dramatisch zunehmen, angeblich. Versäumnisse sind rasch benannt, versagt hätten Verkehrsplaner und Verkehrspolitiker. Was in aller Aufgeregtheit fehlt, ist eine nüchterne Annäherung.

Betrachtet man das Schienen- und Straßennetz in der Region Wien - Bratislava fällt Folgendes auf: Im überregionalen Straßennetz ist Österreich hintennach, was auf die schienenorientierte Verkehrspolitik der 90er-Jahre zurückgeht, die zwar der Bahn wenig gebracht, notwendige Straßenverbindungen aber blockiert hat; dazu kommen die schleppenden Genehmigungsverfahren, die unter dem Mantel der Umweltverträglichkeit die österreichische Bürokratie repräsentieren. Auf die so genannte "Spange Kittsee", die Autobahnverbindung Wien-Bratislava, muss man deshalb noch drei Jahre warten. Im Schienennetz ist es umgekehrt: Die neue Schienenstrecke von Parndorf nach Petržalka endet am Stadtrand Bratislavas, ein Schnellbahnring ist dort ebenso Zukunftsmusik wie die Verbindung zum Flughafen. Denn während der öffentliche Nahverkehr in der Region Wien als Schnellbahnsystem seit 1960 laufend ausgebaut wird, steht man in Bratislava bei der Stunde null.

Unklare Zuständigkeiten

Verschärft wird die Situation durch unklare Zuständigkeiten zwischen Stadt und Region Bratislava, es sind keine operativen Qualitäten - wann geschieht was? - vorhanden. So kommt es, dass eine Zugfahrt zwischen dem Wiener Ostbahnhof und dem Hauptbahnhof Bratislava knapp 80 Minuten dauert. Der Vorwurf, der Generalverkehrsplan 2002 ließe die Ostöffnung unberücksichtigt, geht ins Leere: Die Straßenprojekte dauern wegen unserer Verfahren so lange, und im Schienenverkehr liegt es am notorischen Geldmangel, an den Unterlassungen der letzten Jahrzehnte. Der Generalverkehrsplan ist in dieser Hinsicht weniger mangelhaft als realistisch.

Ungeduld ist ein fataler Ratgeber: Wenn man das Naheliegende nicht erwarten kann - nämlich ordentliche Schienen- und Straßenverbindungen - schiebt sich die Vision ins Blickfeld. Warum nicht gleich eine Magnetschwebebahn, wie in Schanghai oder anderswo? Wär' doch was, in zehn Minuten von hier nach dort. Den Verfechtern dieser Vision ist das Kopfrechnen entglitten, fehlt doch für die gewaltigen Investitions- und Betriebskosten derartiger Verkehrsmittel die entsprechende Nachfrage. Was sich nicht einmal im Pariser Ballungsraum oder im Rhein-Ruhr-Gebiet rechnet, das soll bei uns leistbar sein?

Smalltalk ...

Im Verkehr haben Visionen überdies einen fatalen Nebeneffekt: Sie lenken von den dringend nötigen nächsten Schritten ab - unter dem Motto: Besser vom Magnetschwebezug träumen als eine Bahnstrecke elektrifizieren.

Stellt man sich den Mühen der Ebene, geht es in der Region Wien - Bratislava um drei zentrale Aufgaben: die Bewältigung des Nahverkehrs, die Kooperation der Flughäfen und langfristig: die Abstimmung von Siedlungsentwicklung und Verkehrsinfrastruktur. Beim Nahverkehr steht ein Tarif- und Betriebsverbund im öffentlichen Verkehr an erster Stelle, für zumindest die Hälfte der Wege innerhalb der neuen Großregion sollten Bahn und Bus gewählt werden. Die Zusammenarbeit der Flughäfen erfordert attraktive Schienenverbindungen, nicht nur zwischen den Flughäfen, sondern auch innerhalb der gesamten Region - da sind vergleichbare Flughäfen deutlich besser erreichbar.

... statt Klartext

Die schwierigste und notorisch unbewältigte Aufgabe ist eine koordinierte Siedlungs- und Verkehrspolitik: Was schon innerhalb der beiden Regionen misslang, muss nun über Grenzen hinweg gelingen. Dies führt zur zentralen Aufgabe überhaupt: eine effiziente Zusammenarbeit.

Grenzüberschreitende Kooperationen sind - durch die Spielregeln der EU-Programme - von besonderer Art: Es dominieren informelle Treffen, mit Vorträgen, Besichtigungen und Buffets. Diese Smalltalk-Kooperation ist gut geeignet, erste Barrieren zu überwinden, man lernt einander kennen. Um zu handfesten Aktionen zu kommen, sind derartige "Meetings" aber nicht zielführend.

Das heißt: Will man ernsthaft etwas tun, müssen die vielen informellen Kommunikationskanäle zu operativen, handlungsfähigen Strukturen gebündelt werden. Es mangelt nicht an grenzüberschreitender Kommunikation, sondern an ihrer Verbindlichkeit. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.5.2004)