New York/Jerusalem - Nach der Niederlage des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon bei der Likud-Abstimmung über seine Rückzugspläne aus dem Gazastreifen hat das Nahost-Quartett einen neuen Versuch zur Wiederbelebung des internationalen Friedensplans gestartet. Die Delegierten der UN, EU, USA und Russlands propagierten am Dienstagabend in New York abermals eine Zwei-Staaten-Lösung für Israelis und Palästinenser. Gleichzeitig stellten sie sich grundsätzlich hinter das Vorhaben Sharons.

Das Quartett begrüße Sharons Vorschlag zu einem vollständigen Abzug aus dem Gazastreifen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Der Plan markiere "eine seltene Chance für die Suche nach Frieden im Nahen Osten". Die internationalen Vertreter riefen Israel aber auch dazu auf, ihre Schritte im Einklang mit der so genannten Road Map zu vollziehen. So müsse geräumtes Land schnellstens und ordnungsgemäß der palästinensischen Autonomiebehörde übertragen werden. Zugleich forderte das Quartett eine Umstrukturierung der palästinensischen Führung, um Anschläge von Extremisten gegen Israel besser verhindern zu können.

US-Außenminister Colin Powell versicherte den Palästinensern, Präsident George W. Bush habe mit seiner Rückendeckung für Sharon die Hoffnung auf einen palästinensischen Staat nicht aufgegeben. Vielmehr wolle man sich jetzt darauf konzentrieren, "die Chance der Räumung von Siedlungen zu nutzen". Powell machte deutlich, dass sich Sharons Vorhaben eines israelischen Rückzugs aus dem Gaza-Streifen in den Kontext der Roadmap einzufügen habe, deren Ziel die Schaffung eines souveränen und existenzfähigen palästinensischen Staates im Westjordanland und Gaza-Streifen sei.

Patten kritisiert Bushs Nahostpolitik

EU-Außenkommissar Chris Patten erklärte am Rande des Treffens in einem BBC-Gespräch, mit seiner uneingeschränkten Unterstützung für Sharon habe US-Präsident George W. Bush "sehr schlechte Signale" in die Nahostregion gesandt, weil dadurch der verhängnisvolle Eindruck entstanden sei, Washington greife einer Verhandlungslösung vor.

Der außenpolitische EU-Beauftragte Javier Solana hat vor einem möglichen Ende des Quartetts gewarnt. Der Ausgangspunkt für Verhandlungen über die endgültigen Grenzen eines palästinensischen Staates müsse der Grenzverlauf von 1967 (vor dem Sechstagekrieg) sein, betonte Solana in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Jede Veränderung, ob sie nun aus Sicherheitsgründen oder aus anderen Erwägungen vorgenommen wird, muss in Verhandlungen zwischen beiden Seiten - Israelis und Palästinensern - geklärt und auch kompensiert werden - etwa durch den Austausch von Territorien. Das ist für uns ein ganz entscheidender Punkt. Wenn ein israelischer Rückzug aus dem Gaza-Streifen unter den richtigen Bedingungen stattfindet, kann das den Anstoß für eine Bewegung in die richtige Richtung geben", sagte Solana.

Die Road Map

Die Road Map sieht eine Räumung aller jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten vor, also auch im Westjordanland. Dort wollte Sharon gemäß seinem Rückzugsplan allerdings nur vier Siedlungen aufgeben und andere dafür ausbauen und praktisch annektieren. Der Plan wurde von den Mitgliedern des Likud-Blocks am Sonntag mit 60 zu 40 Prozent abgelehnt.

Powells Gesprächspartner im Nahost-Quartett waren sein russischer Ressortkollege Sergej Lawrow, der irische Außenminister Brian Cowen als Vertreter der EU-Ratspräsidentschaft, Patten, Solana sowie UNO-Generalsekretär Kofi Annan. Das Quartett unterstrich in einer Erklärung, dass die Roadmap für die Herstellung eines dauerhaften Friedens zwischen Israelis und Palästinensern in zwei unabhängigen Staaten ungeachtet der einseitigen Pläne Israels ihre Gültigkeit behalte.

Erneut Militäroperation in Khan Yunis

Wenige Stunden nach ihrer jüngsten Militäroperation im Flüchtlingslager von Khan Yunis im Gazastreifen rückten israelische Soldaten am späten Dienstagabend abermals in die Gegend ein. Augenzeugen zufolge setzten sie Planierraupen ein, um palästinensische Wohnhäuser gegenüber einer jüdischen Siedlung zu zerstören. In der Nacht zuvor hatte ein israelischer Kampfhubschrauber eine Rakete auf eine Menschenmenge in Khan Yunis abgefeuert, nachdem militante Palästinenser zwei Geschosse auf israelische Panzer gelenkt hatten. Zwei Palästinenser wurden getötet und 22 weitere verletzt.

Am frühen Mittwochmorgen drangen Soldaten mit Panzern auch wieder in das Flüchtlingslager von Rafah ein. Nach Augenzeugenberichten suchten sie abermals nach Tunneln, durch die Waffen aus Ägypten eingeschmuggelt werden könnten.

Jüdische Siedler zogen unterdessen in zwei Häuser im arabischen Ostteil von Jerusalem ein. Gleichzeitig übernahmen israelische Grenzpolizisten ein nahe gelegenes Hotel im Stadtteil Abu Dis. Friedensaktivisten sahen darin eine symbolische Geste, den Anspruch Israels auf Ostjerusalem zu festigen. Palästinenser sprachen von einem weiteren Versuch, die Gründung eines palästinensischen Staates mit Ostjerusalem als Hauptstadt zu behindern. (APA/AP)