Berlin - Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat am Dienstag in Berlin der Terrorismusprozess gegen einen mutmaßlichen Islamisten aus Tunesien begonnen. Die Bundesanwaltschaft wirft dem 33-jährigen Ihsan G. vor, nach der Ausbildung in einem afghanischen El-Kaida-Lager in Deutschland Anschläge gegen amerikanische und israelische Einrichtungen geplant zu haben. Dafür habe er versucht, in Berlin eine terroristische Vereinigung zu bilden. Die Verteidigung wies die Vorwürfe zurück. "Die Ermittlungsergebnisse tragen die Anklage nicht", sagte die Rechtsanwältin Margarete von Galen.

Der Prozess wurde nach zirka einstündiger Verhandlung auf Dienstag kommender Woche vertagt, weil sich Ihsan G. im Gegensatz zu seiner ursprünglichen Absicht nicht zu den Tatvorwürfen äußern wollte und schwieg. Die Verteidigung kritisierte die Anklage als dürftig. Sie werde durch die Ermittlungen nicht gedeckt.

Suche nach Gleichgesinnten

Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, nach der Ausbildung in einem Lager der El Kaida in Afghanistan im Jänner 2003 illegal nach Deutschland zurückgekehrt zu sein, um hier Gleichgesinnte zu finden und zusammen mit ihnen Sprengstoffanschläge zu begehen. In einer Wohnung in Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) habe er Utensilien zum Bau von Sprengsätzen sowie Notizen über chemische Substanzen aufbewahrt, die zur Herstellung von Sprengsätzen geeignet gewesen seien. Ferner habe er sich eine Schusswaffe mit Munition besorgt.

Bei der Durchsuchung einer unter falschem Namen gemieteten Wohnung seien Utensilien zum Bau von Sprengsätzen beschlagnahmt worden, zudem Batteriesäure, Notizen über chemische Substanzen, eine Schusswaffe sowie Dateien mit Schaltplänen zur Auslösung von Zündern.

Ziel war Gründung einer Vereinigung zur Ausübung von Sprengstoffanschlägen

Während seines Aufenthaltes in Berlin soll sich G. im Umfeld der Al-Nur-Moschee im Bezirk Neukölln an Freunde und Bekannte gewandt haben, um eine Vereinigung zur Ausübung von Sprengstoffanschlägen zu gründen. Er habe dort "Sportunterricht" veranstaltet, bei dem es aber in Wirklichkeit um ideologische Schulung, "Kleinkriegführung" und Waffengebrauch gegangen sei, sagte Bundesanwältin Silke Ritzert. Ziel der geplanten Anschläge seien auch Demonstrationen gegen den bevorstehenden Irak-Krieg gewesen. G. wurde allerdings am 20. März 2003, dem Tag des Kriegsbeginns, festgenommen.

Nach Darstellung der Bundesanwaltschaft hatte G. Anfang 2001 Deutschland verlassen, um in Afghanistan "Ausbilder" zu werden. Dabei habe er auch El-Kaida-Chef Osama Bin Laden kennen gelernt. Er habe dort den Auftrag für Attentate in Deutschland erhalten. Mit ihnen sollte der Westen gedemütigt und die islamische Welt verteidigt werden, betonte die Bundesanwaltschaft. "Es gibt eine Vielzahl von Indizien, die den Angeklagten belasten", sagte Ritzert am Rande des Prozesses.

Verteidigung: Anklage stütze sich auf bezahlte "Vertrauenspersonen"

Demgegenüber sagte die Verteidigerin von Galen, die Anklage stütze sich auf bezahlte "Vertrauenspersonen" des Landeskriminalamtes Berlin, die selbst keinen Kontakt zu G. gehabt hätten. "Sie berichteten vom Hörensagen, wobei sie nicht mal ihre Quellen nennen konnten." Nicht einmal der Aufenthalt von G. in Afghanistan sei bewiesen, geschweige denn seine angeblichen Aktivitäten in Deutschland. "Die Hauptverhandlung wird deutlich machen, wie dürftig die Beweislage ist", sagte von Galen.

Der Tunesier war den Ermittlern zufolge 1996 zum ersten Mal nach Deutschland gekommen und hatte unter anderem mit Gold- und Silberwaren gehandelt. In diesem Zusammenhang muss es sich in dem am Dienstag begonnenen Prozess auch wegen Steuerhinterziehung verantworten. Die Anklage wirft ihm vor, Umsatzsteuer in Höhe von umgerechnet rund 200.000 Euro und Einkommensteuer in Höhe von etwa 600.000 Euro nicht gezahlt zu haben. (APA/dpa)