"Seid ihr bescheuert, das zu zeigen?": Die Publikation der Folterfotos aus den irakischen Kerkern hat manche Amerikaner heftig erbost.

Collage: Beigelbeck

Die Meldung von der Folterung irakischer Gefangener hat sich auf sehr unterschiedliche Weise verbreitet. Das Pentagon interessierte sich stark für die Story, manche Medien reagierten rasch, andere brachten sie überhaupt nicht.

Die US-Medien sind oft bezichtigt worden, nach dem 11. 9. 2001 in eine Art Patriotismusfalle gegangen und zu Helfershelfern der Regierung geworden zu sein. Diesmal haben sie ihre kontrollierende Rolle ausgeübt. Am vergangenen Mittwoch strahlte CBS in der Sendung "60 Minutes II" die ersten Bilder von irakischen Gefangenen aus, die von US-Wachpersonal malträtiert werden.

Drei Tage später doppelte der "New Yorker" mit einer Story des Enthüllungsprofis Seymour Hersh nach. Hersh muss die Geschichte offenbar schon fertig in der Schublade gehabt haben. Wie die Fotos in den Besitz von CBS bzw. Hersh kamen, lässt nicht nicht exakt rekonstruieren, Tatsache ist aber, dass das Pentagon Wind von der geplanten Publikation bekommen hatte und sich mit CBS in Verbindung setzte. General Richard Myers bat die Sendungsverantwortlichen, die Ausstrahlung wegen der extrem angespannten Lage in Falluja aufzuschieben.

Erstausstrahlung auf Intervention des Pentagon

Die CBS-Leute entsprachen diesem Wunsch, wiesen bei der Erstausstrahlung der Bilder aber auf die Intervention des Pentagon hin. Wie Hersh am Sonntag auf CNN sagte, gebe es noch wesentlich mehr Bilder: "Auf einem von ihnen sieht man 18 Beinpaare, die nur zur Hälfte aufgenommen wurden. Da waren jede Menge Leute involviert, als dies gefilmt wurde. Es waren noch andere Kameras und Videorekorder dabei. (...) Wir werden noch mehr davon sehen."

Die US-Zeitungen griffen die Meldungen in sehr unterschiedlicher Intensität auf, und ehe die Angelegenheit zur Chefsache wurde und George W. Bush sich zu Wort meldete, vergingen zwei Tage. Die "Washington Post" und die "Baltimore Sun" aus Maryland, woher einige der beschuldigten Soldaten stammen, publizierten bereits am Donnerstag Fotos aus dem CBS-Programm.

"Seid ihr bescheuert?

Die "New York Times" berichtete am vergangenen Donnerstag im Blattinneren von den Vorwürfen gegen die US-Soldaten, Fotos publizierte sie erst tags darauf, laut Chefredakteur Bill Keller deshalb, weil die Authentizität der CBS-Bilder in der Schnelle nicht überprüft werden konnte. Die New York Post oder USA Today publizierten die Fotos überhaupt nicht, angeblich um US-Soldaten im Irak nicht in Gefahr zu bringen.

Damit liegen sie ganz auf der Linie vieler erboster CBS-Seher, die, wie etwa Ari Kettunen, zornig posteten: "Seid ihr bescheuert? Glaubt ihr, dass ihr den gefangenen Amerikanern etwas Gutes tut, wenn ihr das zeigt? Ich habe vollstes Verständnis für die freie Presse, aber hier muss man gegen das Leben unserer eigenen Leute abwägen."

Streit um "Daily Mirror"-Fotos

In Großbritannien geht indes der Streit um die "Daily Mirror"-Fotos, die angeblich folternde britische Soldaten zeigen, weiter. Die Militärpolizei will mehrere Redaktionsmitglieder des Mirror vernehmen. Die Zeitung bleibt bei ihrer Darstellung, dass die Fotos authentisch seien. Andere Medien wie die BBC und der "Daily Express" zweifeln die Echtheit des Materials an. (Christoph Winder/DER STANDARD; Printausgabe, 5.5.2004)