London/Washington/Tel Aviv - Rund 50 frühere US-Diplomaten haben nach Angaben des britischen Senders BBC in einem Brief an den amerikanischen Präsidenten George W. Bush dessen Nahostpolitik scharf kritisiert. Sie werfen ihm vor, mit seiner "ungenierten" Unterstützung Israels weltweit "Glaubwürdigkeit, Prestige und Freunde" zu verlieren.

Dem Bericht zufolge wollten die Diplomaten das Schreiben am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Washington veröffentlichen. Sie folgen dem Beispiel von 52 britischen Exdiplomaten, die vor zehn Tagen die Nahost-und Irakpolitik von Premier Tony Blair scharf kritisierten.

Die Unterzeichner vertreten die Ansicht, dass die US-Regierung sich mit ihrer Nahost-politik "in große Gefahr" begibt, hieß es bei der BBC. Angeführt werde die Gruppe von Andrew Killgore, der von 1977 bis 1980 US-Botschafter in Katar war. Killgore forderte Bush in einem BBC-Gespräch auf, seine Unterstützung für die Abzugspläne Sharons aus dem Gazastreifen rückgängig zu machen. Killgore zufolge wird in dem Brief auch zur Irakpolitik Stellung genommen. "Das ist ja noch viel schlimmer", sagte der Exdiplomat zur BBC.

Die US-Regierung hält indessen den Plan des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon zur Räumung des Gazastreifens weiterhin für eine "gute Sache". Nach der Abstimmungsniederlage Sharons bei dem Referendum in seiner Likud-Partei müsse man abwarten, was in Israel geschehe, sagte Außenamtssprecher Richard Boucher am Montag in Washington. Eine Mehrheit der israelischen Bevölkerung scheine den Rückzugsplan Sharons zu unterstützen.

Sharon steckt zurück

Sharon erwägt nach seiner Abstimmungsniederlage in der eigenen Likud-Partei die Räumung von nur fünf Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten. Die israelische Tageszeitung Ha'aretz berichtete am Dienstag in ihrer Online-Ausgabe, der Regierungschef wolle möglicherweise nur drei (von 21) Siedlungen im Gazastreifen und zwei im Westjordanland räumen lassen. Dies wäre nur ein Fünftel der ursprünglich zur Räumung vorgesehenen Siedlungen. (dpa, red/DER STANDARD, Printausgabe, 5.5.2004)