Pjöngjang/Seoul/Wien - Nordkorea baut derzeit nach südkoreanischen Berichten zwei unterirdische Startanlagen für neue Mittelstreckenraketen mit Reichweiten von bis zu 4000 Kilometern. Die Anlagen seien zu 70 bis 80 Prozent fertig gestellt, berichtete am Dienstag die auflagenstärkste Zeitung Choson Ilbo.

"Ein US-Spionagesatellit hat etwa zehn neue ballistische Raketen und mobile Startrampen an diesen Raketenbasen entdeckt", schrieb das konservative Blatt unter Berufung auf einen ungenannten Regierungsbeamten in Seoul. Eine Anlage soll sich 80 Kilometer östlich von Pjöngjang befinden, eine andere im Nordosten des Landes.

El-Kaida kein Kunde

Nordkoreas Führung wies indes energisch Spekulationen der US-Regierung zurück, das international isolierte Regime könnte Nuklearwaffen an das Terrornetzwerk El-Kaida verkaufen. Solche Vermutungen äußerte zuletzt US-Vizepräsident Dick Cheney Mitte April in einer Rede in Schanghai.

Nun aber brachte der amerikanische Korea-Experte Selig Harrison von einem viertägigen Aufenthalt in Pjöngjang eine der umfangreichsten Stellungnahmen des Regimes seit Beginn des Atomstreits im Herbst 2002 zurück. So erklärte etwa die Nummer zwei des Regimes, Kim Yong-nam, dem Politikwissenschafter: "Wir haben die Genehmigung, Raketen zu verkaufen, um ausländische Devisen einzunehmen. Was aber nukleares Material betrifft, so ist unsere Politik in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft, dass wir niemals eine solche Weitergabe an El-Kaida oder jemand anderem erlauben würden. Niemals."

Sicherheitsgarantie

Nordkoreas Außenminister Paik Nam-sun schloss ebenfalls eine Lieferung von Nuklearmaterial an das Terrornetzwerk kategorisch aus. "Wir verurteilen Al-Kaida für den barbarischen Angriff von 9/11. Dies war eine schreckliche Tragödie und fügte Amerika einen großen Schock zu. Bush benutzt diesen Schock, um das amerikanische Volk gegen uns aufzubringen", sagte der Außenminister zu seinem amerikanischen Besucher. "Doch die Wahrheit ist, das wir ihre Freundschaft wollen und brauchen."

Harrison, der die Asienabteilung des Zentrums für Internationale Politik in Washington leitet, berichtete in der Dienstagsausgabe der Financial Times über seine Gespräche in Pjöngjang. Er plädiert in seinen Studien für eine flexiblere Haltung der USA gegenüber Nordkorea wie in den Jahren der Clinton-Regierung und besuchte 1972 als erster Amerikaner seit dem Koreakrieg Pjöngjang.

Laut Harrison habe nun einer seiner Gesprächspartner erklärt, Pjöngjang könnte die Forderung nach einer Sicherheitsgarantie der USA überdenken, sollte sich eine neue US-Regierung weniger feindselig verhalten. (mab, dpa/DER STANDARD, Printausgabe, 5.5.2004)