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Protest vor den Gefängnismauern: Mehrere Hundert Iraker zogen vor das Abu-Ghraib-Gefängnis außerhalb von Bagdad, darunter viele Angehörige von Häftlingen, und forderten den Abzug der Amerikaner aus dem Irak.

Foto: APA/EPA/
Bei den Misshandlungen irakischer Soldaten durch US-Soldaten im Abu-Ghraib-Gefängnis handle es sich "um den verheerendsten Akt gegen unsere Interessen in der Region während der vergangenen Dekade", meint Joseph Biden, der ranghöchste Demokrat im außenpolitischen Ausschuss des Senats. "Es stellt sich die Frage, was Verteidigungsminister Rumsfeld und andere im Pentagon gewusst haben, wann sie es gewusst und was sie unternommen haben." Sollten die Antworten darauf ungenügend sein, müssten Rücktritte gefordert werden.

Verantwortung

Der altgediente demokratische Senator Robert Byrd donnerte: "Bisher ist noch keiner hervorgetreten und hat die Verantwortung für die Verhältnisse in irakischen Gefängnissen übernommen. Stattdessen werden Finger in alle Richtungen gezeigt." Senator Edward Kennedy nannte die Ereignisse einen "riesigen Rückschlag" für die US-Interessen in der Region.

"Vollkommen im Dunklen"

Aber nicht nur Demokraten, sondern auch Republikaner zeigten sich empört, allen voran der ehemalige Präsidentschaftskandidat und Vietnamheld John McCain: Es sei ungeheuerlich, dass der Kongress vom Verteidigungsministerium "vollkommen im Dunklen" gelassen wurde.

McCain beschuldigte Rumsfeld, "ein Problem von dieser Größenordnung" nicht früher an das entsprechende Komitee im US-Senat herangetragen zu haben. Bereits am Mittwoch fanden zwei Senatshearings zum Thema hinter verschlossenen Türen statt.

Aufklärung

Noch am Dienstag hatten die US-Streitkräfte verkündet, die Befragungsmethoden von Gefangenen würden ab sofort geändert. Gleichzeitig wurde bekannt gegeben, dass eine Reihe von Ermittlungen zu Todesfällen von 25 Inhaftierten sowohl in Afghanistan als auch im Irak eingeleitet worden seien. Unter den 25 Todesfällen hätten die Militärgerichte bis jetzt nur zwölf natürliche Tode festgestellt. In zwei Fällen wurde auf Fremdvergehen entschieden, eine weitere Tötung gelte als gerechtfertigt, erklärte Generalmajor Donald Ryder in Washington. Dies bedeutet, dass zehn Fälle bisher noch nicht aufgeklärt sind.

"Völlig inakzeptabel"

Verteidigungsminister Donald Rumsfeld verurteilte die Handlungen in einer Pressekonferenz als "völlig inakzeptabel und unamerikanisch", stellte jedoch gleichzeitig infrage, ob es sich bei den Vergehen tatsächlich um Folter und nicht nur um Misshandlungen gedreht habe - was einen weiteren Sturm der Entrüstung auslöste. Rumsfeld bestand darauf, dass das "System funktioniert", gab aber zu, den von dem Reporter Seymour Hersh im New Yorker ausführlich zitierten und bereits im Februar verfassten Bericht von Generalmajor Antonio Taguba bisher noch nicht vollständig gelesen zu haben.

Ungeheuerlichkeiten

Die Antworten von Mitgliedern der Bush-Regierung gleichen einander wieder wie ein Ei dem anderen: Bei den US-Soldaten, die diese Ungeheuerlichkeiten verübt hätten, handle es sich um Einzelfälle; ein paar schwarze Schafe könnten die im Irak erzielten Fortschritte nicht zunichte machen; und der Großteil der US-Soldaten habe sich im Irak hilfreich gezeigt. Außenminister Colin Powell meinte in einem CNN-Interview mit Larry King, dass "kein Amerikaner das einer anderen Person antun sollte".

"Wir bedauern zutiefst"

Präsident George W. Bush, von dem der republikanische Senator Lindsay Graham behauptet, er sei "wütend" über die Vorfälle im Abu-Ghraib-Gefängnis, hat zugestimmt, zwei arabischen Fernsehstationen, Al-Arabiya und Al-Hurra, zehn Minuten lang Interviews zu gewähren. Die Nationale Sicherheitsberaterin des Weißen Hauses, Condoleezza Rice, entschuldigte sich in einem Dienstag ausgestrahlten Interview mit dem arabischen TV-Sender Al-Arabiya: "Wir bedauern zutiefst, was diesen Menschen zugestoßen ist und was ihre Familien jetzt empfinden müssen. Es ist ganz einfach nicht richtig. Und wir werden der Sache auf den Grund gehen." (DER STANDARD, Printausgabe, 6.5.2004)