Wien - Entlang berechenbaren Linien wurden am Tag vor der heutigen Beschlussfassung der Steuerreform nochmals Pro und Kontra des von der Regierung als "größte Entlastung der Zweiten Republik" titulierten Gesetzes abgehandelt.

In einer neuen Studie bewertete das Institut für Höhere Studien für Haushaltseinkommen den Gesamteffekt beider Etappen der Steuerreform abzüglich der Belastungen durch neue Ökosteuern positiv.

Felderer "überrascht"

IHS-Chef Bernhard Felderer zeigte sich "überrascht", dass die Einkommenssteuersenkung - mit 1,2 Mrd. Euro neben der Senkung der Körperschaftssteuer um eine Mrd. Euro - relativ ausgewogen auf die unterschiedlichen Einkommensgruppen verteilt seien. Selbst die unterste und die höchste Einkommensgruppe würden leicht gewinnen.

Das IHS berechnet den Effekt nicht nach individuellem Bruttoeinkommen, sondern durchschnittlichem Haushaltseinkommen. Die Betrachtung nach Haushalten (gemeint sind wirtschaftliche Einheiten, nicht rechtliche Definitionen wie Ehe) sei für Verteilungsstudien sinnvoller als Einzelbeispiele, "weil der Haushalt die Lebenssituation definiert", erklärt Felderer.

Relativ gleichmäßige Verteilung

Nach dieser Berechnung verteilt sich das Gesamtvolumen der Einkommenssteuersenkung relativ gleichmäßig auf die Bandbreite der Einkommensgruppen - am wenigsten erhalten die beiden untersten Zehntel der Haushalte, da dort kaum Steuern bezahlt werden und daher eine Tarifsenkung keine Effekte bringt.

Auf das einzelne Haushaltsmitglied umgerechnet (Gesamteinkommen eines Haushalts durch alle Mitglieder geteilt) sind die stärksten positiven Effekte am unteren Ende der Skala, wieder mit Ausnahme der einkommensschwächsten Gruppe.

"Wir haben eine Bewegung hin zur Flat Rate gemacht. Die Grenzssteuersätze sind jetzt flacher", sagt Felderer; dennoch sei die Progression (die Erhöhung des Steuersatzes mit wachsendem Einkommen) erhalten, möglicherweise sogar schärfer als bisher.

Konzentration

Kritik an einem Detail der Reform, der steuerlichen Begünstigung von Unternehmensübernahmen, kam Mittwoch vom Steuerexperten Werner Doralt. Künftig gibt es einen Steuerrabatt auf den Kauf von Firmenanteilen, und zwar nur bei mindestens 50 Prozent und einer Aktie.

Unternehmen würden dadurch vom Fiskus rund zehn Prozent des Kaufs finanziert bekommen, rechnet Doralt, "bei der CA-Übernahme durch die Bank Austria wären das zwei Mrd. Schilling gewesen".

Dies würde Firmenkonzentrationen und damit auch tendenziell den Abbau von Arbeitsplätzen begünstigen, kritisiert Doralt. "Dieser Konzentrationsprozess spielt sich ohnedies am Markt ab, die Frage ist, warum soll das der Staat noch steuerlich begünstigen?" Im Gegensatz dazu wurden alle Begünstigungen für Investitionen abgeschafft, was Wachstumseffekte hätte.

"Zeitbombe"

Vertreter der Oppositionsparteien wiederholten im Vorfeld der Parlamentsdebatte ihre scharfe Kritik an der Steuerreform, die unternehmenslastig sei und kleine Einkommen benachteilige.

SPÖ-Budgetsprecher Christoph Matznetter sieht vor allem in der Senkung der Körperschaftssteuer, die "ein Scheunentor öffnet, von dem niemand sagen kann, was es kostet, eine Zeitbombe für das Budget". Dies würde ein neues Sparpaket nach 2006 nach sich ziehen, befürchtet Matznetter.

"Die Regierung wirft ihre Budgetdisziplin über Bord, ohne dass wir davon etwas Größeres haben würden", sagte der grüne Budgetsprecher Werner Kogler. (DER STANDARD Printausgabe, 06.05.2004, Helmut Spudich)