Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice hat sich entschuldigt und hinzugefügt: "Amerikaner tun so etwas nicht." Was sie sagen wollte, ist: Das steht in krassem Widerspruch zu unserem Selbstverständnis von den USA als moralischer Autorität und als Kämpfer für Demokratie und Menschenrechte überall auf der Welt. Und das ist auch der Punkt: Die USA unter Bush verspielen gerade die letzten Reste von Glaubwürdigkeit und Good Will. Natürlich tun Amerikaner "so etwas" wie die (psychischen) Folterungen und Demütigungen in dem Bagdader Militärgefängnis. Übergriffe und sogar Kriegsverbrechen passieren auch den Amerikanern – und sogar dann, wenn sie für eine moralisch gerechtfertigte Sache Krieg führen.

Im Zweiten Weltkrieg verdankten die Europäer den USA die Befreiung vom völkermörderischen Nationalsozialismus und die asiatischen Völker die Befreiung von einer rassistischen, in Blut watenden, japanischen Militärdiktatur. Dennoch: Die Frage bleibt, ob Hiroshima sein muss- te ebenso wie der Luft- krieg gegen Zivilisten in Deutschland und Japan.

Auch die chemische Entlaubung in Vietnam kann unter dem Gesichtspunkt "Kriegsverbrechen" diskutiert werden, und die Behandlung gefangener Vietcongs unterschied sich oft kaum von der der irakischen Häftlinge. Amerika war (und ist im Prinzip noch) trotzdem die Hoffnung all jener, die in Freiheit leben wollen. Die USA haben uns 40 Jahre davor beschützt, unter einer kommunistischen Diktatur zu leben. Sie haben (mit dem Opfer von 50.000 Toten) die Südkoreaner da- vor bewahrt, unter einem Schreckens- und Hungerregime wie die Nordkoreaner zu leben. Sie, und nicht die Europäer, haben die ethnische Säuberung in Bosnien und im Kosovo gestoppt.

Und selbst Vietnam kann man als den fehlgeleiteten Versuch betrachten, die Ausbreitung eines massenmörderischen Kommunismus in Asien zu stoppen. Wenn nun von Folter im Bagdader Gefängnis die Rede ist, dann stimmt das, weil auch seelische Folter furchtbar ist, aber mit den physischen Grauenhaftigkeiten, die sich am selben Ort unter Saddam zugetragen haben, ist es nicht zu vergleichen. Und in den Gefängnissen der arabischen Welt ist derlei – inklusive sexueller Demütigung – gang und gäbe. Das ändert nichts daran, dass das Bild von den USA als einer grundsätzlich wohlwollenden und positiven Macht weit gehend zerstört ist. Der dümmlich- bösartige Antiamerikanismus, der den USA auch humanitäre Interventionen (Bosnien, Kosovo) als bloßen Imperialismus ausgelegt hat, fühlt sich nun bestätigt und wird beinahe zum mainstream.

Das ist im Wesentlichen das Verdienst der Bush-Mannschaft. Mit diesen Leuten ist etwas gekippt: Die imperiale Arroganz und die monumentale Selbstgefälligkeit, die Unfähigkeit, andere Meinungen auch nur in Betracht zu ziehen, war in Segmenten der US-Gesellschaft immer vorhanden. Mit Bush und den Seinen aber haben sie die amerikanische Gesellschaft übernommen. Noch nie waren verrückte christliche Fundamentalisten so nahe am Zentrum der politischen Macht wie unter Bush – die Gruppen bilden ja auch ein wesentliches Element seines Wahlsiegs. Fossile wie Rumsfeld oder Cheney, die der Meinung sind, dass die USA und die Welt ihnen und ihren guten Freunden gehören, waren noch nie so mächtig. Die Gegenbewegung sammelt sich erst. Gut möglich, dass sie eine Wiederwahl von Bush im Herbst noch nicht verhindern kann. Aber sie muss trotzdem die Ehre der USA wiederherstellen. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.5.2004)