Im gerade vergangenen April veränderten sie sich umso rascher, je später er wurde. Aprilscherze blieben eo ipso noch rascher aus, und doch nicht ganz. Die Reise nach Mauterndorf zum endgültigen Abschied von rire mit Claus Philipp, Franz Hammerbacher, Hermes Phettberg und fast der ganzen STANDARD- Crew ließ die Schatten tanzen. Die rasche Fahrt, der helle Tag, das Licht, das die Landschaft fast schwingen ließ und den Bergeinschnitten ihre Schroffheit nahm und die Weite erkennen ließ, wurden auf dieser unglaubwürdigsten Reise zum Gegenbild des Salzburger Landes, aus dem er kommt.

Während Claus Philipp die Strategie übernahm, Franz Hammerbacher durch sein fast lautloses Dabeisein der Fahrt zur Umweglosigkeit verhalf, sprang Hermes Phettberg mit seiner sprachlichen Artistik ein und seinen unnachahmlichen Remarks, mit Husten- und Lachanfällen. Jeder von ihnen verhalf der Fahrt zur Leichtigkeit, während der Fahrer Kurven, Abzweigungen, Tälernamen, die Wettervoraussichten hineinfügte. Der Himmel blieb hell und windig, kaum von Wolkenschatten überzogen, ehe der Wagen zum Ziel einbog, zu der kleinen Kapelle, in der - schon verschlossen - der helle Sarg stand.

Die letzten Gäste schoben sich zögernd in die engen Bänke, kleine Ministranten liefen ernsthaft über die Altarstufen, rückten Chorröcke und Blumen zurecht, halfen zu der vorläufigen und der endgültigen Ordnung, blieben ganz gezielt und ohne Hast rund um den stillen Sarg. Dann gaben drei helle scharfe Glockentöne das Signal. Das Scharren der Schritte auf den Steinen, das Knarren der Holzbänke, und endlich ging der Pfarrer hinter den beiden Kindern zum Altar.

Die Angst vor Banalitäten und den üblichen Abschweifungen gab sich rasch. Er las die Messe nach dem katholischen Ritus, blieb ernst und unpathetisch, und empfahl Richard den Bruder Richard, den guten Geistern, die ihm zur Verfügung standen. Von Introitus, Lesung, Evangelium bis zur Wandlung mit den drei kurzen Glockenzeichen. Noch das Friedenszeichen von einem zum anderen, das Richard nie gemocht hatte, und die Forderung "Gehet hin!".

Zögernd und stockend gingen die letzten Gäste zu seinem Grab. Als sie endlich angelangt waren, nahm die Zielsicherheit zu. Palmzweige und abgerissene Blüten fielen auf den Schläfer. Er war oft sehr müde gewesen, aber noch öfter absolut unmüde, aufbruchbereit, nervös, mit neuen Plänen befasst. Ufer der Verlorenen, das Buch Joseph Brodskys, fiel als Letztes neben den Sarg, ehe alle den Friedhof verließen und durch das Dorf zu seinem Elternhaus gingen, wo sie eine fast unglaubwürdige Ruhe und Heiterkeit erwartete.

Es fiel schwer, wohin immer, zurückzufahren. Aber wie mir schon bei den Orten Dover und Calais auffiel: An den Orten, die die entscheidenden sind, soll man nicht bleiben, keine Hütte bauen. So war es besser, den stillen Schläfer zu verlassen und selbst zu versuchen, wach zu bleiben, so wach wie rire. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. 5. 2004)