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Beim elektronischen Hausarrest tragen Betroffene einen Sender, der bei jeder Bewegung über den vorgegeben Aktionsradius hinaus per Telefonleitung Alarm schlägt.

Foto: APA/ Nabil Mounzer

Wien - Zu Hause eine Gerichtsstrafe absitzen? In Schweden und in den Niederlanden ist das bei geringfügigen Delikten, wie Ladendiebstahl, längst möglich. Eine Gruppe von Justizexperten sieht darin auch eine von mehreren Möglichkeiten, überfüllte Gefängnisse in Österreich zu entlasten.

Zu weiteren Vorschlägen, die Freitag präsentiert wurden, gehören eine Neubewertung von U-Haft-Gründen sowie eine genauere Qualifizierung von "gewerbsmäßigen" Delikten. Mit allen Maßnahmen könnten 430 Haftplätze pro Jahr eingespart werden.

Sender am Gelenk

Beim elektronischen Hausarrest tragen Betroffene am Fuß- oder Handgelenk einen Sender, der bei jeder Bewegung über den vorgegeben Aktionsradius hinaus per Telefonleitung Alarm schlägt. In Schweden wird die Alternative zur Zelle häufig bei ertappten Alkolenkern angewendet. Voraussetzungen: Die Nachbarn müssen einverstanden sein, Betroffene müssen begleitende Therapien machen.

Böhmdorfer will neue Gefängnisse bauen

Wie DER STANDARD berichtete, will Justizminister Dieter Böhmdorfer (FP) angesichts der sprunghaft gestiegenen Haftzahlen neue Gefängnisse bauen, eines davon sogar in Rumänien. Um sechs Millionen Euro werden demnächst die Strafanstalten Hirtenberg und Asten erweitert. Für die Experten ist das jedoch "kein produktiver Impuls", wie Rechtsanwalt Richard Soyer betonte. "Man darf der Bevölkerung nicht vorgaukeln, dass man der Kriminalität Herr wird, wenn man rigoros einsperrt", ergänzte Strafrechtsprofessor Christian Grafl. Er forderte, die Qualifizierung "gewerbsmäßig" genauer zu regeln.

Kriterien, wie eine fünffache Tatwiederholung

Hintergrund: In den vergangenen Monaten wurden vor allem viele Ausländer wegen gewerbsmäßigen Diebstahls oder Einbruchs verurteilt. Als Beweis reicht schon aus, dass jemand ein Stemmeisen bei sich trägt. Der Strafrahmen bei "gewerbsmäßig" erhöht sich um das Sechsfache. Grafl hält es für sinnvoll, objektive Kriterien, wie eine fünffache Tatwiederholung, einzuführen. U-Haft, so ein Vorschlag des Strafrechtlers Frank Höpfel, sollte nur mehr bei schweren Delikten gegen Leib und Leben verhängt werden.

Arno Pilgram vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie wies auf schwere Mängel bei der Datenauswertung hin: "Seit vier Jahren gibt es keine Rückfallstatistiken mehr, es herrscht organisiertes Nichtwissen."

Schwitzen statt sitzen

Justizminister Böhmdorfer ließ ausrichten, dass er "ein offenes Ohr" für alle Vorschläge habe. Die Möglichkeit des elektronischen Hausarrestes werde rechtlich geprüft. Dass man auf hohe Haftzahlen generell mit mehr bedingten Entlassungen reagiere, sei keine Lösung. Er bevorzuge das Motto "schwitzen statt sitzen", so Böhmdorfer - also mehr Arbeitsmöglichkeiten hinter Gittern. (Michael Simoner, DER STANDARD Printausgabe 8/9.5.2004)