Brüssel/Wien - Die EU legt medizinische Gentests für eine maßgeschneiderte Behandlung als "integralen Bestandteil des Gesundheitswesens" nahe. Jedoch müsse gewährleistet sein, "dass Gentests niemals unter Zwang erfolgen", schreiben Experten in einem Bericht, der Freitag in Brüssel präsentiert wurde. Die Kommission spricht darin 25 Empfehlungen zum Umgang mit der neuen medizinischen Möglichkeit aus, als Leitlinie für Gentest-Gesetze in den Mitgliedstaaten. "Ein eigenes, EU-weites Gentest-Gesetz ist derzeit aber noch nicht in Arbeit", erklärte Fabio Fabbi, Sprecher der EU-Forschungskommission, dem STANDARD.

Die Information aus einem Gentest ist unveränderbar. Denn sie bezieht sich auf die DNA des Menschen. In Zukunft können Gentests für eine personalisierte, präventiv orientierte Medizin eingesetzt werden. Erbkrankheiten und genetische Anfälligkeiten können vorhergesagt werden: So weiß etwa der Genomforscher Craig Venter schon jetzt, dass er Träger der Genvariante ApoE4 ist, die sein Risiko erhöht, im Alter an Alzheimer zu erkranken. Dieses Wissen könnte jedoch zur Folge haben, dass er für seinen privaten Versicherungsschutz mehr zahlt als andere.

Die EU betont, dass "Gentests den Getesteten auch wirklich nützen" müssen. So seien etwa Screenings nur bei Risikogruppen durchzuführen und nicht ohne Zustimmung der Betroffenen. Der Datenschutz müsse - wie es das österreichische Gesetz vorsieht - gewährleistet sein. Der Bericht misst außerdem "ausführlicher, frei zugänglicher Information" über Testmöglichkeiten besondere Bedeutung zu. Alle Bürger müssen - gleichberechtigt - Zugang zu den Tests erhalten, selbst wenn sie sich am Ende für das "Recht auf Nichtwissen" entscheiden. Der Furcht vor einer Zweiklassenmedizin wird damit Vorschub geleistet. Wer zahlt - ob Staat oder privat -, bleibt allerdings im Bericht unerwähnt.

Ethnische Herkunft

Ein eigener Punkt ist die Tatsache, dass Gentests nach ethnischer Herkunft unterscheiden können. So gibt es genetische Varianten, die in bestimmten Ethnien öfter vorkommen als in anderen. Die Genforschung müsse sich daher "der Risiken der Stigmatisierung von Menschen" bewusst bleiben. Ebenso dürfen genetische Daten nicht "in einer Weise verwendet werden, die die Diskriminierung Einzelner" zur Folge habe.

In Europa werden jährlich 700.000 Gentests durchgeführt im Wert von 500 Mio. Euro. Die Kommission empfiehlt einheitliche Qualitätsstandards, die die Zuverlässigkeit der Tests garantieren sollen. Den demografischen Auswirkungen einer effizienteren Vorsorgemedizin ist kein eigener Punkt gewidmet.

In Österreich ist die Präimplantationsdiagnostik verboten. Medizinische Gentests dürfen nur von Fachärzten durchgeführt werden. Versicherungen bekommen keine Einsicht in die Testergebnisse. (Eva Stanzl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9. 5. 2004)