Blick auf die Sinuskurve des Daches

Foto: website www.maria-biljan-bilger.at
Sie war 19 Jahre älter als er. Kennen gelernt haben die beiden sich 1958 und fuhren noch im selben Jahr zusammen nach Sardinien. Maria Biljan-Bilger hatte gerade ihr dreißig Meter langes Wandrelief für Roland Rainers Wiener Stadthalle fertig gestellt und sich bereits mit zahlreichen Ausstellungen, darunter die Biennalen von Venedig und Sao Paulo, einen Namen gemacht. Sie zählte zu den Gründungsmitgliedern des Art-Club, der legendären Geburtsstätte der österreichischen Nachkriegsmoderne im Keller von Adolf Loos' Kärntnerbar. Der Ort war eher Zufall als Programm, denn das kulturelle Kurzzeitgedächtnis hatte den Namen Loos gelöscht. Ihn wiederzuentdecken, daran sollte der junge Architekt Friedrich Kurrent später einen nicht geringen Anteil haben, der eine Kirche gebaut und einen Auftrag für eine zweite in der Tasche hatte, als er 1958 bei der Innenarchitektin Anna-Lülja Praun auf die Künstlerin Biljan-Bilger trifft, da war er sechsundzwanzig.

Kurrent ließ sich einen Bart wachsen und packte die mit jeder großen Liebe verbundene Chance, dem Leben einen neuen Horizont zu geben. "Die Erotik, die in einem Moment alle hundertausend Teilaspekte zusammenfaßt, ist eine heiße, lebensspendende Blüte. (...) Erst dadurch wurde ich zum Mensch", schreibt Kurrent in seinem autobiografischen Werkkatalog "Einige Häuser, Kirchen und dergleichen" (Verlag Anton Pustet 2001, € 35,50) über die Begegnung.

Ohnehin vielseitig interessiert und keine Gelegenheit versäumend, aus dem engen Korsett des Bauens und Denkens der Nachkriegsjahre auszubrechen, führte ihn Maria Biljan-Bilger in ihre Welt archaischer Formen, die sie in Keramikskulpturen und Wandteppichen bearbeitete. Ornamente, das wusste auch Loos, waren nur dann ein Verbrechen, wenn sie ihre kulturellen Wurzeln verloren haben. Die Nachkriegsjahre boten für eine mythisch durchtränkte Kunst ein günstiges Klima. Im ideologiegeschüttelten Europa sehnten sich nicht wenige danach, unter den brüchig gewordenen Zivilisationsschichten ein neues Fundament zu finden. Es war andererseits aber eine recht überschaubare Gemeinde, die Maria Biljan-Bilgers Arbeiten zu schätzen wusste. Vom Kunsthandel hielt sie sich fern, arbeitete lieber mit Architekten zusammen und leitete von 1970 bis 1987 das Bildhauersymposion in St. Margarethen.

Nur wenige Jahrzehnte nach der Entstehung waren etliche Werke bereits akut bedroht. Die Sandsteinwand am Ausflugslokal "Bellevue" des Architektenpaars Windbrechtinger, die Skulpturen im Kinderfreibad Floridsdorf, Pflanztröge aus dem Einkaufszentrum Hietzing - einiges konnte gerettet werden, aber wohin?

So entstand in den letzten Lebensjahren der Plan, in Sommerein ein Refugium geretteter und nie verkaufter Kunst zu errichten. Ab 1962 hatte sich das Paar dort in einer alten Kapelle am Rand eines aufgelassenen Steinbruchs ein Sommerhaus eingerichtet, später erweiterte die Gemeinde das Grundstück im Tausch für neue Kirchenfenster. 1997 verstarb Maria Biljan-Bilger im Alter von fünfundachtzig Jahren, da standen bereits die Bruchsteinmauern. Sieben Jahre später, am 1. Mai, ihrem Todestag, wurde die Halle mit einem Architektenvolksfest eröffnet.

Zunächst finanzierte Kurrent den Bau aus eigenen Mitteln, später gründete sich aus dem Freundeskreis ein Verein, der Spenden, Fördergelder und Preisnachlässe der Baufirmen einsammelte und weiterhin aktive Mitglieder sucht (maria-biljan-bilger.at).

Am Wochenende ist zwischen Mai und Oktober (10-12 und 14-18 Uhr) die Halle nun geöffnet. Auch in den restlichen Monaten ist das Gelände begehbar. Der Steinbruch wurde von der Gemeinde in eine Grünfläche verwandelt, die Felswände blieben roh und ungesichert.

Kurrents Halle nimmt die Rauheit ihrer Umgebung auf. Mit den Steinen eines Abbruchhauses mauerte sich ein Trupp türkischer Bauarbeiter, der sonst an der Hainburger Stadtmauer tätig ist, exakt an den Grenzen des Grundstücks entlang. Niemand sonst aus der an Steinbrüchen reichen Umgebung des Leithagebirges war dazu noch in der Lage. Mit der geschwungenen Dachkonstruktion antwortet der Bau auf die Gewölbe der Weinkeller in unmittelbarer Nachbarschaft. Die Halle sei eigentlich ein "Unterstand", meinte der Filmtheoretiker Peter Kubelka bei der Eröffnung. Keine Wärmedämmung, rostige Lamellen statt Fenstern, mehr ein Werk- als ein Ausstellungsraum, kraftvoll wie die Kunst Maria Biljan-Bilgers. (DER STANDARD, ALBUM, Printausgabe vom 8./9.5.2004 / architektur@derStandard.at )