Washington/Genf - Innerhalb der US-Regierung herrschen nach Medienberichten Meinungsverschiedenheiten über den Umgang mit bisher nicht veröffentlichten Fotos von Misshandlungen irakischer Häftlinge durch Angehörige der Besatzungsstreitkräfte. Nach einem Bericht der "New York Times" vom Montag sollen Mitarbeiter im Weißen Haus eine rasche Veröffentlichung befürworten. Sie hätten die Sorge, dass die Bilder früher oder später an die Presse gegeben werden und den Ärger unter den Irakern und Arabern neu anheizen könnten. Der Iran ist nach eigenen Angaben im Besitz von Dokumenten, die noch wesentlich schlimmere Misshandlungen belegen als bisher bekannt.

Hochrangige Mitarbeiter im Pentagon würden dagegen warnen, dass eine Veröffentlichung der Bilder, die Verteidigungsminister Donald Rumsfeld als eklatant brutal, sadistisch und inhuman eingestuft hatte, die anstehenden Prozesse gegen sieben Armeeangehörige gefährden könnten. Die Rechtsanwälte könnten argumentieren, dass ihre Mandanten kein faires Verfahren erhielten. Am 19. Mai soll in Bagdad der erste Prozess gegen den 24-jährigen Militärpolizisten Jeremy Sivits beginnen. Dem Heeresangehörigen werden unter anderem Misshandlung und Grausamkeit in etwa 20 Fällen zur Last gelegt. Die "Washington Post" schreibt unter Berufung auf einen Militäranwalt, dass dem Angeklagten im Höchstfall ein Jahr Haft, der Verlust von zwei Dritteln eines Jahresbezuges sowie die Degradierung zum einfachen Soldaten und die Entlassung aus der Armee wegen schlechter Führung drohten.

Rotes Kreuz Zeuge

Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sind nach einem internen Bericht im vergangenen Oktober Zeugen systematischer Folterungen im Bagdader Abu-Ghraib-Gefängnis geworden. Dabei seien sie eindeutig zu dem Schluss gelangt, dass es sich bei den Misshandlungen nicht um willkürliche Einzeltaten gehandelt habe, heißt es in der 24-seitigen Studie. Diese wurde am Montag vom "Wall Street Journal" veröffentlicht und anschließend vom IKRK in Genf als authentisch bestätigt. Nach dem Bericht waren in dem Gefängis Brutalität und Demütigungen an der Tagesordnung. Irakische Häftlinge seien nackt in eine leere Zelle gesperrt worden und hätten dort lange Zeit bei völliger Dunkelheit ausharren müssen. Man habe ihnen Hauben über den Kopf gestülpt oder Männer dazu gezwungen, Damenunterwäsche zu tragen. Auch sei den Gefangenen mit Hinrichtungen gedroht worden. Den IKRK-Beobachtern seien zudem blaue Flecken, Brandwunden und andere Verletzungen der Häftlinge aufgefallen.

"Diese Zwangsmethoden körperlicher und seelischer Art wurden vom militärischen Geheimdienst systematisch angewandt, um Geständnisse, Informationsauskünfte oder andere Formen der Zusammenarbeit von Personen zu gewinnen, die im Zusammenhang mit mutmaßlichen Sicherheitsverstößen festgenommen wurden oder als nützliche Informationsquelle galten", heißt es in dem Bericht. Schätzungsweise 70 bis 90 Prozent von ihnen seien allerdings zu Unrecht verhaftet worden. Schon bei der Festnahme dieser Verdächtigen seien unangemessene Methoden zur Anwendung gekommen. Manchmal seien alle männlichen Familienmitglieder einschließlich Alter, Kranker und Behinderter abgeführt worden. Dabei seien Schläge, Tritte und Beleidigungen üblich gewesen.