Manchmal nehmen sie praktisch alle dasselbe Flugzeug – die österreichischen EU-Abgeordneten aller Partei en auf dem Weg nach Hause von einer Sitzungswoche in Brüssel. Da sitzen sie dann am Gate XY mit ihren Rollenkoffern, etwas grau im Gesicht, die meisten über Parteigrenzen per Du miteinander und tauschen Anekdoten über die jüngste Zumutung der Kommission oder des EU-Rates (der Staats- und Regierungschefs) aus.

Es ist ein gut bezahltes, großzügig mit Spesen ausgepolstertes Dasein, aber kein Pro-Forma-Job. Allein das ständige Hin- und Herreisen – zwischen dem Heimatwohnsitz in Wien oder, noch un praktischer, irgendwo inden Bundesländern und den beiden Tagungsorten des EU-Parlaments, Brüssel und Straßburg, bzw. zwischen Brüssel und Straßburg bzw. zwischen all diesen Orten und diversen europäischen Hauptstädten – schlaucht ganz schön. Wasfür den Bürger angenehme Städtetrips sein mögen, ist in Wirklichkeit eine Existenz zwischen öden Flughafenwartehallen, öden Sitzungszimmern und öden Absteigen.

Kein Mitleid, sicher nicht. Die Abgeordneten sind adäquat bezahlt; für viele bedeutet "Brüssel" oder "Straßburg" zumindest den Ausbruch aus dem eigenen Provinzialismus.

Aber was tun EU-Abgeordnete wirklich?

Das fragen sich jetzt vermutlich mehr und mehr Wähler angesichts der Wahlen zum Europaparlament am 13. Juni, für die man europaweit eine niedrige Beteiligung fürchtet (in Österreich unter 50 Prozent). Was tun sie, außer "abkassieren", wie der jeweilige Populismus behauptet?

Das EU-Parlament kontrolliert, was die Kommission produziert, gibt gleichzeitig auch Impulse, und deswegen stammen nach Aussagen von Parlamentssprechern bis zu zwei Drittel aller EU-Richtlinien vom Parlament. Die Richtlinie, die den Fluggesellschaften das Überbuchen und damit das Hinauswerfen von wehrlosen Passagieren um einiges schwerer macht, stammt im Wesentlichen aus dem Parlament.

Vielleicht, weil die EU-Parlamentarier so viel fliegen müssen. Ein anderes Thema mit spezifischem EU-Bezug war der Beschluss des EU-Parlaments, die österreichischen Wünsche bezüglich des Transitverkehrs mit großer Mehrheit abzulehnen (nachdem Österreich Kopromissangebote schroff zurückgewiesen hatte).

Schließlich wurden die Rechte des Parlaments in jüngster Vergangenheit dahingehend aufgewertet, dass es den vorgeschlagenen Kommissionspräsidenten bestätigen muss.

Das könnte für Wolfgang Schüssel wichtig werden, wenn er tatsächlich vom EU-Rat als Kommissionspräsident vorgeschlagen wird (was denkbar, aber nicht sehr wahrscheinlich ist). Derzeit gibt es eine konservative Mehrheit im Parlament, aber nach den Wahlen könnte die verlorengehen, wenn die Liste von Präsident Romano Prodi genügend Mandate bekommt und sich von der Europäischen Volkspartei (EVP) abspaltet. Dann gibt es eine sozialdemokratisch-liberale-rechtsliberale Mehrheit, und vor der hätte Schüssel wohl weniger Chancen.

EU-Abgeordnete tun also mehr oder weniger das, was Abgeordnete in nationalen Parlamenten tun.

Sie haben in Wirklichkeit aber schon mehr Einfluss als diese, weil so viele Materien auf EU-Ebene entschieden werden. Diese Macht wird in Zukunft noch ausgebaut werden, vor allem wenn die EU-Verfassung doch noch zustande kommt. Vielleicht sollte das irgendjemand den wahlunwilligen Bürgern noch schnell vor dem 13. Juni sagen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.5.2004)