New York - Die Angst vor einem bevorstehenden Versorgungsengpass für moderne Medikamente sowie zunehmende Resistenzen gegen dieselben haben nun internationale Gesundheitsorganisationen zu einem radikalen Richtungswechsel in der Behandlung von Malaria veranlasst: Betroffene Länder sollen sich mit einer pflanzlichen Arznei eindecken - mit "Artemisinin", aus Beifuß gewonnen.

Der Wirkstoff wurde erstmals 1965 in China isoliert. In den frühen 1990ern vermochte die Substanz die Todesraten bei einer Malariaepidemie in Vietnam um 97 Prozent zu reduzieren. Studien haben inzwischen bestätigt, dass der Pflanzenwirkstoff tatsächlich die Zahl der im Blut von Infizierten feststellbaren Erreger sowie das hohe Fieber der Erkrankten senken kann. Das Mittel hat keine Nebenwirkungen, es sind auch noch keine Resistenzen bekannt.

Artemisinin teuer

Westliche Wissenschafter und Geldgeber (etwa USA, Großbritannien, Weltbank und Stiftungen) lehnten den großflächigen Einsatz von Artemisinin lange Zeit ab: Es sei zu wenig erforscht, vor allem bei Kindern fehlten Wirksamkeits- und Verträglichkeitsstudien. Und: Obwohl weder die Pflanze noch das relativ simple Isolationsverfahren patentierbar sind, somit jeder die Arznei herstellen kann, ist das Mittel heute noch recht teuer: Während eine Dosis des am meisten verbreiteten Wirkstoffs Chloroquin - gegen den etwa in Tansania, Kenia und Uganda bereits bis zu 90 Prozent der Erreger resistent sind - rund neun Cent kostet, müssen für eine Dosis einer Artemisinin-Kombinationstherapie etwa 1,30 Euro bezahlt werden. Kombinationstherapie deshalb, weil Monotherapien Resistenzen fördern.

Geldgeber bereit

Nun aber sind die Geldgeber bereit: Der "Global Fund" gegen Aids, Tuberkulose und Malaria hat laut New York Times elf Ländern entsprechende Lieferungen zugesagt, weitere 36 Staaten aufgefordert, bisherige Medikamente gegen Artemisinin-Produkte auszutauschen. Eine Anpflanzaktion wurde gestartet - von Asien über Afrika bis Südamerika. Im Dezember wird gepflanzt, acht Monate später geerntet und produziert. 380 Millionen Euro sollen in die Herstellung der Medikamente fließen, bis 2005 100 Millionen Dosen verteilt werden.

Malaria führt zu 300 Millionen Erkrankungen, einer Million Todesfälle im Jahr. (fei/DER STANDARD, Printausgabe, 12.5.2004)