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Standard: Es sind keine sieben Monate mehr bis zur Konferenz in Nairobi, deren Vorsitz Sie haben. Was sind die Aufgaben bis dahin?

Petritsch: Das Wichtigste ist, den Input aus allen betroffenen Staaten und Regionen für das Aktionsprogramm der nächsten fünf Jahre zu bekommen. Vor fünf Jahren fand der Ottawa-Beschluss statt, und in dieser zweiten Hälfte sollen wirklich alle Landminen vernichtet werden. Das von mir seinerzeit gegründete Minen-Aktionskomitee BiH-MAC etwa hält dieses Ziel in Bosnien für machbar. Dafür wird es allerdings wichtig sein, dass die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen – in den letzten zwei Jahren sind sie merklich zurückgegangen. Wichtig wird auch sein, die Perspektive des Kampfes gegen Minen zu verbreitern, von der vorrangig humanitären Seite zu den entwicklungspolitischen und ökonomischen Bedingungen, die durch die Entminung verbessert werden. Es wird eben eher in ein Land investiert, in dem es keine Bedrohung durch Minen gibt. Aber (wie Jody Williams etwa am Beispiel eines italienischen Minenerzeugers argumenteirt hat; siehe das Interview mit ihr) man kann an allen Fronten gegen die Verbreitung wie gegen die Erzeugung kämpfen. Es ist Unsinn zu sagen, dass das nicht geht, weil Leute ihren Arbeitsplatz verlieren würden.

Standard: Was wird es kosten, bis zum Beispiel alle Minen hier in Bosnien-Herzegowina entschärft und vernichtet sein werden?

Petritsch: Das hängt vom BiH MAC ab, und von NGOs wie der Organisation Norwegian People’s Aid oder den Kanadiern. Strategie und Engagement sind das Wichtigste. Dann erst kommen die Kostenschätzungen.

Standard: Ist die Tatsache, dass vor allem die USA, Russland, China, Indien und Pakistan dem Abkommen nicht beigetreten sind, kein Problem für die Konferenz?

Petritsch: Man muss da realistisch sein. Die USA werden sicher nicht unter einer republikanischen Regierung beitreten, von den Demokraten gibt es Signale, die auf eine Änderung hoffen lassen. Die USA sind insofern wichtig, als sich andere unwillige Staaten auf sie als Führungsmacht berufen und dahinter verstecken. Andererseits ist es so, dass man mit jenen fast 150 Staaten, die bisher beigetreten sind, alle Betroffenen dabei sind und diese natürlich ein Interesse haben, dass etwas weitergeht. Auch die Länder, die sich bisher politisch und finanziell am meisten engagiert haben – Kanada, Norwegen, Holland, Österreich zum Teil und andere -, wollen den Job eindeutig erfolgreich abschließen.

Standard: Wer sind die Hauptverbündeten?

Petritsch: Das Einmalige ist eine bislang nicht gekannte Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft, NGOs, effizienten und professionell aufgezogenen Lobbys und den Staaten, die etwas machen wollen. Eine Koalition, die eine Waffengattung wirklich eliminieren und nicht nur an irgendwelchen Verbesserungen arbeiten will. (Petritsch hat in einem Kommentar in der Herald Tribune im März die Haltung Amerikas und den Gegenvorschlag, „intelligente“ Minen mit automatischer Abschaltung zuzulassen, kritisiert.)

Standard: Wie groß ist die Gefahr eine Überbürokratisierung angesichts so vieler Williger, zum Beispiel auf der Nairobi-Konferenz? Petritsch: Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Es hat wohl noch kein Gipfeltreffen gegeben, das mit so geringen personellen Ressourcen und Strukturen vorbereitet wurde wie der Landminen-Gipfel. Ich habe eine Gruppe von rund 20 Mitarbeitern aus verschiedensten Ländern versammelt, ein flexibles Netzwerk, das sich nach der Arbeit wieder auflösen wird. Außerdem wurden alle Organisationen und Länder zu zwei Vorbereitungskonferenzen eingeladen sein – die nächste findet Ende Juni in Genf statt –, wo man sich intensiv und transparent mit den Inhalten auseinandersetzen kann. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.5.2004)