Rom - Die italienische Militärstaatsanwaltschaft hat Ermittlungen um mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen im Gefängnis der südirakischen Stadt Nassirya eingeleitet, das von irakischen Polizisten geleitet, jedoch unter der Aufsicht von Italiens Kontingent steht. Die Ermittlung wurde auf Grund der Aussagen der Witwe eines in Nassiriya getöteten Militärpolizisten, Pina Bruno, eingeleitet. Sie hatte am Dienstag in einem Interview mit dem Sender RAI 3 behauptet, dass ihr Mann im Gefängnis von Nassiriya Folteropfer gesehen habe.

"Mein Mann hat ein Gefängnis gesehen, einen fürchterlichen Ort, wo die Gefangenen nackt eingesperrt wurden", sagte Pina Bruno. Ihr Mann sei schockiert von dem gewesen, was er gesehen habe, sagte Bruno weiter. "Massimiliano sagte mir: Wenn ich erzähle, was ich gesehen habe, wird mir niemand glauben. Diese Leute werden schlechter als die Schaben behandelt", berichtete seine Witwe laut Rundfunk. Sie deutete an, dass die italienischen Behörden von den Vorfällen wüssten. "Es ist absurd zu sagen, sie wussten nichts." Massimiliano habe ihr gegenüber ausgesagt, Informationen über die Misshandlungen seien nach Italien weitergeleitet worden.

Systematische Folter

Der römische Militärstaatsanwalt Antonino Intelisano ermittelt auch wegen eines Berichts des Oberst Carmelo Burgio, dem ehemaligen Kommandanten der Carabinieri im Südirak. Laut Burgio folterten irakische Polizisten systematisch ihre Gefangenen in der Strafanstalt von Nassiriya. Er habe sich öfters bei der irakischen Polizei wegen der Folterungen beschwert. Diese habe überrascht reagiert.

"Überraschung und Entrüstung"

"Hätten wir über die schweren Misshandlungen Bescheid gewusst, hätten wir angemessene Initiativen gegenüber unseren Verbündeten ergriffen", versicherte Verteidigungsminister Antonio Martino in einem Bericht vor dem römischen Parlament am Mittwoch. Die Regierung Berlusconi werde die USA und Großbritannien offiziell auffordern, die Verantwortlichen für die gravierenden Menschenrechtsverletzungen zu bestrafen. "Ich versichere, dass die italienische Regierung mit Überraschung und Entrüstung auf die Nachricht über die Folterungen reagiert hat, über die sie nicht informiert war", so der Minister. Die Italiener hätten irakische Gefangene stets nach internationalem Recht behandelt.

Bereits Ende März informiert

Die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) meinte jedoch, dass sie die italienische Regierung bereits am 24. März 2003 über die schweren Menschenrechtsverletzungen in den Gefängnissen informiert habe, die von amerikanischen und britischen Militärs verwaltet wurden. Das Beweismaterial sei der Unterstaatssekretärin im Außenministerium, Margherita Boniver, übergeben worden, berichtete amnesty laut italienischen Medien vom Donnerstag.

Wortgefechte im Parlament

Im Parlament kam es zu Wortgefechten zwischen Martino und der Opposition. Der Minister beschuldigte die Mitte-Links-Allianz, den Folterskandal für ihre antiamerikanische Propaganda ausgenutzt zu haben. "Die Opposition hat die Hinrichtung des amerikanischen Soldaten sonderbarer Weise nicht kommentiert", kritisierte Martino.

Die Opposition ließ sich jedoch durch die Attacken des Ministers nicht zum Schweigen bringen. Der Chef der oppositionellen Linksdemokraten, Piero Fassino, forderte erneut den Abzug der italienischen Soldaten aus dem Irak. "Nach dem Folterskandal hat die italienische Friedensmission keinen Sinn mehr. Es ist Zeit, dass sich die westlichen Mächte endlich aus dem Irak zurückziehen", meinte Fassino. (APA)