Die Ausweisung eines US-Journalisten aus Brasilien wegen eines Artikels über den angeblich übermäßigen Alkoholkonsum von Präsident Luiz Inacio Lula da Silva hat international einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Das US-Außenministerium kritisierte am Mittwoch (Ortszeit) in Washington die Entscheidung der brasilianischen Regierung, dem Korrespondenten der Tageszeitung "New York Times" ("NYT") wegen seiner umstrittenen Berichterstattung das Visum zu entziehen. Eine solche Maßnahme sei "inkonsistent mit der starken Verpflichtung Brasiliens für die Freiheit der Presse". Auch Journalisten- und Menschenrechtsorganisationen prangerten eine massive Verletzung der Pressefreiheit an.

Das Justizministerium in Brasilia hatte am Dienstag angeordnet, das Visum des "NYT"-Korrespondenten Larry Rohter nicht zu verlängern. Es reagierte damit auf einen Artikel, in dem Rohter dem brasilianischen Staatschef einen übermäßigen Alkoholkonsum attestiert hatte, der für mehrere Fehler Lulas verantwortlich sei. Die brasilianische Regierung verteidigte unterdessen ihre Entscheidung zur Ausweisung des Journalisten. Die "New York Times" habe sich nicht von dem Artikel distanziert, der "Brasilien und dem Präsidenten Schaden zugefügt" habe, erklärte Lulas Sprecher Andre Singer in Brasilia.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte die Regierung in Brasilia in einer in Washington veröffentlichten Erklärung auf, ihre Entscheidung zu revidieren. Es sei ein "irreparabler Schaden für die Meinungsfreiheit" zu befürchten. Die Maßnahme sende an andere Regierungen der Region "das falsche Signal". Präsident Lula stünden andere Maßnahmen zur Verfügung, um gegen den umstrittenen Zeitungsartikel zu protestieren.

Die mit Fragen der Meinungsfreiheit befasste Abteilung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) äußerte sich ebenfalls "besorgt" über die Entscheidung, dem "NYT"-Korrespondenten das Visum zu entziehen. (APA)