derStandard.at: Friday-Night-Skating ist ein Projekt von Christoph Chorherr; mit Ihnen und anderen Prominenten und Politikern konnte man bereits Bowlen gehen. Was haben Freizeit und Fun mit Politik zu tun?
Marie Ringler: Ich glaube, dass das ganz viel mit Politik zu tun hat. Gerade das friday-night-skating ist ein bisserl eine Art den öffentlichen Raum zu erobern. Der öffentliche Raum sollte nicht einfach den Autos und Schienen überlassen bleiben. Man muss Raum für die Menschen schaffen und daher ist dies ein hochpolitisches Projekt.
derStandard.at: Und das Bowlen?
Ringler: Beim Projekt "Bowling gegen Rechts" war mit den Namen auch schon das Programm klar. Es geht aber auch darum zu vermitteln, dass politische Aktionen und Politisch-Sein nicht immer bierernst sein müssen, sondern dass man dabei auch Spaß haben kann. Das Ganze muss gar nicht so parteipolitisch aufgeladen sein. Damit kann man es auch schaffen, Leute für Politik zu interessieren, die sonst vielleicht keinen Zugang finden würden und ihnen zeigen, dass man mit Politik etwas verändern kann.
derStandard.at: Ist das auch das Ziel ihres weblogs?
Ringler: Der Weblog ist ja eigentlich ein sogenannter moblog: Ich produziere Fotos und Texte direkt mit meinem handy, verschicke diese per sms oder mms und füttere so meinen moblog.
Ich wollte schon immer gerne ein bisschen transparenter machen, was man so den ganzen Tag in der Politik Tag tut, was mich berührt und beschäftigt – und auch warum ich Politik mache. Ich habe aber selten ausreichend Zeit im Büro vorm Computer zu sitzen und diese zehn Zeilen zu tippen. Nach langem Herumtüfteln ist mir eingefallen, dass es am sinnvollsten ist, das mittels Handy zu machen, denn ich bin auch ganz viel in langweiligen Sitzungen oder in der U-Bahn, wo ich schnell mal eine sms schicken kann.
derStandard.at: Lassen sich politische Inhalte auf 300 Zeichen für eine sms oder 600 Zeichen für zwei sms reduzieren?
Ringler: Es ist schwierig und manchmal gelingt es auch nicht. Aber es ist eine spannende Herausforderung. Gleichzeitig ist der moblog aber ein gutes tool um kleinen Beobachtungen aus dem Alltag zu einer Sichtbarkeit zu verhelfen, die sie sonst medial nie bekommen würden. Ich kann etwas "Arges" sehen und diesen Gedanken unmittelbar vermitteln. Wenn ich an einem Schuppen vorbeikomme auf dem steht "Neger Holz", denk ich mir 'Mein Gott, wie ist denn das noch möglich, dass jemand seinen Holz-Handel im Jahr 2004 noch so nennt'. Dann mach ich ein Foto, schick' mir ein mms und zehn Minuten später ist das online.
derStandard.at: Wie hat Ihnen der weblog von Benita Ferrero-Waldner gefallen? Hat er zu ihrer täglichen Pflichtlektüre gehört?
Ringler: Bei diesem weblog war spürbar, dass jemand etwas gemacht hat, "weil man's tun muss". Irgendjemand hat der Frau Ferrero-Waldner eingeredet, dass ein weblog heutzutage einfach schick ist. Und daher hat jemand ihrer Leute ohne Bezug zu diesem Medium einen weblog gemacht und ihren Alltag in Form eines Schüleraufsatzes nacherzählt.
derStandard.at: Waren sie eine der "linken Emanzen", die verhindert hat, dass die erste Frau Bundespräsidentin wird?
Ringler: Ja (lacht.) – Aber das ist doch mein Wahlgeheimnis?!
derStandard.at: Sie haben sie im Verlauf des Bundespräsidentschaftswahlkampf mehrmals für eine "junge, unabhängige Kandidatin" plädiert. Was könnte eine 35-jährige Bundespräsidentin besser als jemand über fünfzig oder gar sechzig?
Ringler: Ich hab mich bei dieser Wahl in die Zeit zurückgesetzt gefühlt, bevor das klassische Parteiensystem gelockert wurde und man einfach nur zwischen SPÖ und ÖVP entscheiden konnte. Das fand ich deprimierend in diesem Wahlkampf, weil es mich in eine Zwangslage gebracht hat.
Dieses Land braucht etwas anderes als dieses über Strecken schon sehr versteinerte politische System, in dem es sich schon manche kuschelig gemacht haben. Ich glaube das ist eine der vielen Gründe, warum es so was wie Politikverdrossenheit gibt - die aber viel mehr mit der Ablehnung dieses alten Systems zu tun hat.
derStandard.at: Politikverdrossenheit und fehlende politische Farbenvielfalt sind aber nicht primär an das Alter der KandidatInnen gebunden. Was kann also eine Junge besser?
Ringler: Es hat schon eine Signalwirkung, ob jemand jung ist oder nicht. Ich glaube, dass Menschen in unterschiedlichem Alter unterschiedliche Politik machen und andere Wahrnehmungen von Politik und ihrer eigenen Generation haben. Im Zusammenhang mit der Pensionsreform habe ich mich sehr geärgert, denn ich hatte das Gefühl, dass alle – mit wenigen Ausnahmen – für die eigene Altersgruppe Politik gemacht haben. Und das heißt für die Generation 50+. Jemand, die 35 ist und Bundespräsidentin wird, würde meiner Meinung nach eine andere Politik machen, weil sie sich in einer anderen Lebenswelt bewegt und daher andere Dinge sieht als jemand der 65 und seit 25 Jahren im politischen System ist.
derStandard.at: Stichwort Wahlalter: Ab wann sollten Jugendliche wählen gehen?
Ringler: Ich bin ganz leidenschaftlich für die Herabsetzung des Wahlalters - zumindest ab sechzehn. Es wäre aber durchaus diskussionswürdig, ob nicht sogar vierzehn viel angemessener ist. Denn unser Bildungssystem stellt junge Menschen schon mit vierzehn vor diese wirklich schwierige und extrem entscheidende Frage 'was möchte ich werden' bzw. welchen Ausbildungsweg schlage ich ein. Die Auswirkung dieser Entscheidung ist doch mindestens ebenso wichtig für das individuelle Leben, wie die Frage, wer regieren wird.
derStandard.at: Eine Hinabsetzung des Wahlalters, auch wenn man jetzt gesehen hat, dass ein Großteil gerade der unter Dreißigjährigen Benita Ferrero-Waldner gewählt hat?
Ringler: Na klar, es ist wichtig, dass man die Herabsenkung des Wahlalters nicht deswegen aus den Augen verliert, weil die jungen WählerInnen dann vielleicht etwas tun, was für einen persönlich nicht so angenehm ist.
derStandard.at: Und wie ist es mit der eigenen Jugendlichkeit? Ist es in ihrer politischen Karriere vorgekommen, dass sie aufgrund ihres Alters nicht ernstgenommen wurden?
Ringler: Am Anfang haben vor allem Männer schon groß geschaut und sich gewundert. Es hat eine Zeit gedauert bis sie den notwendigen Respekt hatten und kapiert haben: "Nur weil die so alt ist wie unsere eigenen Kinder, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht kompetent ist, nicht weiß wovon sie spricht und man sie nicht ernst nehmen muss."
derStandard.at: Christoph Chorherr verändert seine Aufgaben für die Grünen, Maria Vassilakou folgt ihm als Chefin der Wiener Partei nach. Werden Sie Chorherr vermissen? Und wird Marie Ringler bei den Wiener Grünen mit aufsteigen?
Ringler: Christoph Chorherr geht ja nicht "weg" – sein Büro ist direkt neben meinem - und daher kann ich nicht vermissen. Und was sich sonst entwickelt, wird sich zeigen. Das ist alles offen. Aber eines ist klar: Maria Vassilakou wird hoffentlich unsere Spitzenkandidatin. Und das finde ich super.
derStandard.at: Gerade bei den Wiener Grünen gibt es eine große Kluft zwischen "Realos" und "Fundis". Wo würden Sie sich hier einordnen?
Ringler: Also diese Aufteilung ist eine völlige Phantasie. Wie in allen Parteien gibt es auch bei uns Unterschiede. Es gibt Leute mit einer durchaus prononcierteren Position in der einen oder anderen Sachfrage. Aber Fundis und Realos gibt’s bei uns nicht. Bei uns hat jeder seine eigene politische Meinung. In 99 Prozent der Fragen stimmen wir alle überein und bei einem Prozent diskutieren wir. Man diskutiert zum Beispiel darüber, ob man eher etwas mehr oder ein bisschen weniger leidenschaftlich der Meinung ist, dass Neue Selbstständige gefördert werden sollen. Diskussionen gehören zur lebendigen Politik dazu.
derStandard.at: Was macht Sie für die Grünen unverzichtbar?
Ringler: Das muss man die Grünen fragen. Ich weiß nur, was ich anzubieten habe: Mein Wissen und meine Kompetenz und meinen Politik-Stil, der ein bisschen ungewöhnlich ist, weil es mir so wichtig ist, dass Politik Spaß macht und dass man das auch merkt.
derStandard.at: Van der Bellen hat nach seiner Wiederwahl zum Bundessprecher bemerkt, er würde sich mehr Konkurrenz aus den eigenen Reihen wünschen. Gibt’s die wirklich nicht?
Ringler: In diesem konkreten Fall hat er die Tatsache angesprochen, dass er alleine zur Wahl des Bundessprechers angetreten ist und es keine Gegenkandidatur gab. Das hat sicher auch damit zu tun, dass es um eine sehr schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe geht - nämlich Chef oder Chefin dieser Partei zu sein. Das ist eine ziemliche Last und ein ziemlicher Druck. Die Leute scheinen heute mehr als früher realistisch einzuschätzen, dass diese Aufgabe nicht unbedingt für jeden etwas ist.
derStandard.at: Ist das ein gesundes Zeichen für die Grünen, dass es nicht genug gibt, die sich das zutrauen?
Ringler: Es ist ein gutes Zeichen dafür, dass die Menschen ihm als Bundessprecher vertrauen. Aber ich glaube auch, dass sich in den nächsten Jahren zeigen wird, das es viel guten Nachwuchs gibt. Also darüber mach ich mir überhaupt keine Sorgen.
derStandard.at: Wie sieht Ihre Zukunft bei den Grünen aus? Würde Marie Ringler gerne mit den Grünen in der Bundesregierung sitzen?
Ringler: Also ich nehme solche Dinge nicht auf die leichte Schulter und weiß, dass das mit viel Arbeit, Druck und Last verbunden ist. Darum werde ich und die Grünen sich das gut überlegen. Und wenn es passt, passt's und wenn’s nicht passt, dann passt's nicht.
derStandard.at: Sie haben in einem Kommentar der anderen für den STANDARD gemeint, sie möchten nicht ins Bett mit Schüssel. Mit welcher Partei könnten sie sich Koalitionssex vorstellen?
Ringler: (lacht) Also wenn wir bei diesem Vergleich bleiben wollen: ehrlich gesagt, es gibt sehr wenige Menschen in der Politik mit denen ich mir vorstellen könnte Sex zu haben, deswegen stellt sich diese Frage nicht.
derStandard.at: Eva Glawischnig musste sich ja von Nationalratspräsident Andreas Khol "radikale, aber wunderschöne Marxistin" nennen lassen. Wie oft haben Sie sich schon dieses Prädikat oder "Schön und intelligent" anhören müssen und wie reagieren Sie darauf?
Ringler: Also ob mich jemand schön oder intelligent findet, bleibt seiner oder ihrer Beurteilung überlassen. Faktum ist, dass Frauen in der Politik mit einem gewissen Ausmaß an Sexismus leben müssen. Ihnen muss klar sein, dass solche Zuschreibungen oft nicht als Kompliment gemeint sind, sondern eher ein Versuch sind, Frauen, vor denen man sich vielleicht ein bisschen fürchtet, weil sie vielleicht so kompetent und scharfsinnig und so gute Politikerinnen sind, klein zu machen.