Buchstaben statt Punkten sollen künftig verhindern, das notorische Raser, unbelehrbare Drängler und permanent unter Alkoholeinfluss stehende Autolenker auf den Straßen das Leben Unschuldiger gefährden. "Hochrisikolenker" sollen mit dem neuen Vormerkmodell schneller erkannt werden, ist die Volkspartei überzeugt. Vor allem schneller, als mit dem Punktesystem, das sich FP-Verkehrsminister Hubert Gorbach ausgedacht hat.

Begutachtungsphase

An den Überlegungen ist etwas dran, denn das Gorbach-Modell wurde in der Begutachtungsphase von Experten ordentlich zerpflückt. Erst nachdem man fünfmal mit 0,7 Promille hinter dem Steuer erwischt wird, wäre man im Punktesystem den rosa Schein länger losgewesen - viele Fahrer geraten aber in ihrer gesamten Automobilistenkarriere nicht in so viele Alk-Kontrollen. Und den derzeit möglichen Führerscheinentzug für zwei Wochen will Gorbach überhaupt ersatzlos streichen.

Deliktkatalog

Das VP-Modell macht dagegen durchaus Sinn. In dem Deliktkatalog sind allerhand gefährliche Verstöße aufgeführt, die zwar einmal passieren können, im Wiederholungsfall aber doch ein deutliches Licht auf das (mangelnde) Verantwortungsbewusstsein des Lenkers werfen. Der oben angeführte Fahrer mit 0,7 Promille ist dann schon beim zweiten Mal seinen Schein für vier Wochen los, wird er ein drittes Mal erwischt, muss er noch länger zu Fuß gehen.

Kritik wie jene von FPÖ-Generalsekretärin Magda Bleckmann, dass "die breite Masse der Autofahrer nicht kriminalisiert werden dürfe", geht daher ins Leere. Stärker wiegen da schon die Bedenken von SPÖ und dem Autofahrerclub ARBÖ Denn was nützt das ausgetüfteltste System (egal ob mit Punkten oder Buchstaben), wenn ein Verkehrsrowdy kaum Gefahr fährt, erwischt zu werden. Planquadrate von Gendarmerie und Polizei sind zwar in Ordnung, aber sprechen sich dank Handys recht schnell herum. Und dann ist es leicht möglich, über Seitenstraßen von einem Lokal zum nächsten zu kommen. Ohne verstärkte Präsenz der Exekutive auf der Straße wird es daher nicht gelingen, Leben zu retten.

Politische Spielchen Noch viel seltsamer wirken in diesem ernsten Zusammenhang die offenbar betriebenen politischen Spielchen zwischen den Koalitionsparteien. Verkehrsminister Gorbach lässt ausrichten, er werde sich den VP-Vorschlag "in Ruhe mit Experten anschauen". Was wohl nur bedeuten kann, das er ihn vorher nicht gekannt hat. Bei der Volkspartei betont man wiederum, auch mit dem Verkehrsressort Gespräche geführt zu haben. Recht ausführlich können die aber nicht gewesen sein, wenn erst in den kommenden Wochen die Details geklärt werden sollen. Daraus ergeben sich zwei mögliche Schlussfolgerungen: Entweder versuchen sich die beiden Parteien auf Kosten der Verkehrssicherheit gegenseitig auszubremsen. Oder es handelt sich schlicht und einfach um ein verkehrspolitisches Scheingefecht im wahrsten Sinne des Wortes. (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe 14.5.2004)