Ein Bürgermeister als Zeuge im "Pflegeskandal": Michael Häupl (SP) übernahm die Verantwortung für die mitunter mangelhafte Pflege in Wiener Heimen. Es seien nicht alle Aufgaben erledigt worden, kritisiert er auch die Verwaltung.

Wien - Bürgermeister Michael Häupl übernahm am Donnerstag, die politische Verantwortung für den "Pflegeskandal". Und "selbstverständlich" trügen er und die Stadträte in der Regierung die Verantwortung dafür, dass nicht alles umgesetzt wurde, was in den vergangenen Jahren in mehreren Gemeinderatsbeschlüssen für die Pflege in Wien festgelegt worden sei.

Anlass dieser Aussage ist Häupls Auftreten vor der Untersuchungskommission, die am Donnerstag in ihrer bereits 15. Sitzung zu klären versuchte, wie es um die Pflege Älterer und Bedürftiger in den städtischen Heimen steht; wie es möglich ist, dass Patienten mitunter auch unzureichend versorgt werden respektive warum sie in "olfaktorisch keinen guten Eindruck" machenden Mehrbettzimmern ihr Dasein fristen müssen.

Debatte über Führungsorgane

Mit dem Bekenntnis zu seiner Verantwortung eröffnete Häupl gleichzeitig erneut die Debatte über jene Führungsorgane im Krankenanstaltenverbund und im Geriatriezentrum "Am Wienerwald" (Lainz), deren Aufgabe es gewesen wäre, Beschlüsse des Gemeinderats für die Pflege in Wien (z. B. Abbau von Mehrbettzimmern in Lainz) umzusetzen - dies aber unzureichend taten.

Schuld ohne Namen

Häupl nannte keine Personen, denen er dieses Versäumnis zur Last legt, sondern sprach nur allgemein von "der kollegialen Führung". Gemeinderatsbeschlüsse seien von dieser nur zu "20 oder 25 Prozent" umgesetzt worden, es seien aber 100 Prozent notwendig.

Konsequenzen bliben offen

Auf die Frage der U-Kommission, ob Häupl für sich und einzelne Stadtregierungsmitglieder Konsequenzen aus dem "Pflegeskandal" ziehe, ging der Bürgermeister nicht ein. Er hatte vor Wochen angekündigt, dass er sich für die von ihm angekündigte "Pflegeoffensive 2010" und zur Investition der "Pflegemilliarde" ein geeignetes Team suchen werde. Welche Personen dies seien, sagte Häupl auch am Donnerstag nicht.

Immer wieder wurde Gesundheitsstadträtin Elisabeth Pittermann (SP) als ablösereif kolportiert, ebenso wie Eugen Hauke oder Ludwig Kaspar, im Krankenanstaltenverbund für Spitäler und Geriatrieheime zuständig. Pittermann spielte sich von Vorwürfen der mangelnden Pflege unter ihrer Verantwortung frei, indem sie darauf verwies, dass lang bestehende, aber nie behobene Strukturmängel ihr nicht anzulasten seien, diese also nicht ihre Amtszeit beträfen. Hauke und Kaspar präsentierten zu ihrer Entlastung vor der U-Kommission Geriatrie- und Vorsorgeprojekte, die unter ihrer Ägide betrieben worden seien.

Nach dem Lainz-Skandal wurde Werner Vogt als Pflegeombudsmann installiert, um Beschwerden von Patienten und Angehörigen zu prüfen. Häupl sagte dazu, er wolle abwarten, ob auf Bundesebene drei Pflegeanwälte (ähnlich wie Volksanwälte) berufen würden. Wenn ja, schlage er Vogt als einen der drei vor. Wenn nein, dann würde diese Ombudsstelle in Wien gesetzlich verankert, und Vogt bleibe Pflegeanwalt.

Häupl war - nach Pittermann und Stadtrat Sepp Rieder - der letzte prominente Zeuge, der von der U-Kommission einvernommen wurde. Im Juni findet die Schlusssitzung statt. SP, VP, FP und Grüne müssen sich dann auf einen Bericht einigen. (aw,DER STANDARD Printausgabe 14.5.2004)