Wien - "Dr. Jekyll und Mister Hyde" sind oftmals die ersten Bilder, die den Menschen beim Thema Schizophrenie durch den Kopf schießen. Die metaphorische Verwendung der Worte "Schizophrenie" oder "schizophren" im Sinne von "Zwiespältigkeit, Unsinnigkeit oder absurdem Verhalten" fördern zusätzlich die Stigmatisierung der in Österreich rund 60.000 daran erkrankten Personen. Psychiater wollten diesen Vorurteilen in einem Pressegespräch vergangene Woche in Wien entgegentreten: Schizophrenie sei heilbar, und die betroffenen Personen wären keineswegs gefährliche Irre.

Während die Depression inzwischen "salonfähig" geworden ist, ist die Schizophrenie noch immer eine jener psychischen Erkrankungen, die am stärksten zu Diskriminierungen führt. Zu einer Verurteilung psychisch Kranker hat vor allem die Geschichte einen Großteil beigetragen, wie der Facharzt für Psychiatrie Univ.-Prof. Dr. Karl Dantendorfer erklärte: "Im Dritten Reich hat durch die Schließung von Psychiatrien und die systematische Ermordung psychisch Kranker eine völlige Entwertung dieser Menschen stattgefunden." Seit dem Zweiten Weltkrieg habe sich auf dem Gebiet der Psychiatrie zwar viel geändert, das öffentliche Bild sich allerdings kaum gewandelt.

"Geisteskrankenkartei"

Verstärkt wurde die Angst von Betroffenen und Öffentlichkeit, laut Univ.-Prof. Dr. Karin Gutiérrez-Lobos von der Universitätsklinik Wien, durch die so genannte Geisteskrankenkartei, die in Österreich bis vor rund fünf Jahren in Gebrauch war. Hier wurden alle psychisch Auffälligen registriert und mussten zum Teil mit enormen Benachteiligungen im Alltag rechnen, wie die Expertin erklärte.

Heute gibt es diese Datei nicht mehr, trotzdem sei die Schwellenangst, professionelle psychiatrische Hilfe in Anspruch zu nehmen, bei vielen Betroffenen noch sehr hoch, so Gutiérrez-Lobos. Das führe dazu, dass laut Schätzungen nur 50 Prozent der Erkrankten in Behandlung seien. "Dabei ist Schizophrenie inzwischen gut behandelbar. Rund ein Drittel aller Kranken können geheilt werden".

Recht

Schizophrenie kennzeichnet sich dadurch, dass es während der Krankheitsphasen zu teilweise fremdartigem und verwirrtem Denken, Sprechen und Verhalten kommt. Eine Stigmatisierung als gewalttätige Irre setze sich aber, laut Gutiérrez, auch im Rechtssystem fest. So finden sich in einigen Gesetzen immer noch sprachlich diskriminierende Ausdrücke wie etwa "Seelische Abartigkeit" oder "geistig abnorme Rechtsbrecher".

Auch im Kirchen- und Zivilrecht finden sich Bestimmungen, die im Falle einer psychischen Krankheit eine Ehe für null und nichtig erklären können. Gegen diese Art von Diskriminierung und für den Abbau von Vorurteilen setzten sich die Psychiater beim Pressegespräch ein. (APA)