Link: marieringler.at

Montage/Foto: Anne Katrin Feßler
Fast drei Jahre sind vergangen seit sich Marie Ringler für eine Karriere in der Politik entschieden hat. Eva Glawischnig holte die heute 28-jährige zu den Wiener Grünen. Anders als ihr Klubobmann Christoph Chorherr, der hinter die Kulissen der Bundespartei wechselt, bleibt sie der Wiener Partei erhalten. Um die Nonchalance manch großer Kulturhäuser, andere Kultur-Sünden und die Hoffnung auf freien webspace für alle, ging es im zweiten Teil des Interviews mit Anne Katrin Feßler.

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derStandard.at: Der öffentliche Raum, der bereits angesprochen wurde, ist den Grünen auch im Kulturbereich ein Anliegen. Was hatte es mit dem Wettbewerb "Kunst im öffentlichen Raum" auf sich?

Ringler: Beim Wettbewerb Kunst im öffentlichen Raum ging es auch darum zu zeigen, dass gerade der städtische öffentliche Raum ein stark umkämpfter ist. Es ist ein Raum, der sehr stark von Privatisierung und Kommerzialisierung bedroht ist. Man denke nur an die Werbeformen, die in der Stadt Einzug halten: Z. B. diese rolling-boards von der gewista oder auch die Wartehäuser der Straßenbahnen, die jetzt an allen Seiten mit Werbung versehen sind, was bedeutet, dass man der Werbung nicht mehr entkommen kann. Das finde ich ehrlich gesagt zum Kotzen, weil die ganze Stadt damit zu einem wandelnden Werbezirkus wird.

derStandard.at: Fast zeitgleich zu eurem Wettbewerbsprojekt für Kunst im öffentlichen Raum hat die Stadt Wien einen mit 800.000 Euro dotierten Fonds für diese Belange ins Leben gerufen. Zufrieden?

Ringler: Gut finde ich, dass jetzt überhaupt was passiert. Schade, dass der Fond - verglichen mit ähnlichen Initiativen in anderen Bundesländern - relativ gering dotiert ist.

derStandard.at: Wie viel Geld sollte im Topf drinnen sein?

Ringler: Wir haben immer gefordert, dass zwei Prozent der Gelder aus öffentlichen Bauvorhaben in einen solchen Fond fließen sollen. Das wäre bedeutend mehr Geld gewesen.

Ebenfalls schade ist, dass der Fond eine sehr eingeschränkte inhaltliche Ausrichtung hat. Er zielt ganz stark auf Bildende Kunst ab und da auch auf eine sehr spezifische Richtung, die am besten durch die Besetzung der Jury (Anm.: Ute Meta Bauer, Silvia Eiblmayr, Brigitte Huck, Edelbert Köb, Wolfgang Kos) symbolisiert wird. - Mit einer bunten und vielfältigen Jury - mit Leuten aus dem Musikbereich, der Sozialarbeit, und auch aus dem Bereich der klassischen Bildenden Kunst – haben wir versucht zu sagen: Uns interessiert Kunst im öffentlichen Raum auch dann, wenn sie performativen Charakter hat, wenn es um Musik geht oder um die Partizipation von Jugendlichen.

derStandard.at: Einer ihrer Anliegen im Kunst- und Kulturbereich ist es, Schwellenängste abzubauen. Wie soll das gelingen?

Ringler: In der Wiener Kulturpolitik läuft gerade in dieser Richtung vieles schief: Um Leute für Kunst und Kultur zu interessieren muss man den Weg ganz stark über Vermittlung gehen. Und Vermittlung ist erst dann gut, wenn sie die Leute dort abholt, wo sie gerade sind. Was wir erleben ist aber, dass auf der einen Seite gerade viele kleine Kulturinstitutionen gar nicht genug Geld haben, um ausreichend auf sich aufmerksam zu machen. Auf der anderen Seite agieren die großen Kulturinstitutionen nonchalante. Es ist ein Problem, dass gerade im Bereich der darstellenden Kunst bei den Theatern, den Musiktheatern, der Oper auf eine sehr "elitäre" Weise kommuniziert wird. Den Leuten wird signalisiert "wenn du nicht weißt wovon ich spreche, dann wollen wir dich gar nicht bei uns haben". Das ist grundfalsch und arrogant. Man müsste daher zum einen ganz massiv in Vermittlung und auch in Marketing investieren, das Leute erreicht, die vielleicht sonst in erster Linie "Starmania" im Fernsehen schauen. Was spräche dagegen?

Zum anderen wird gerade jetzt in Wien sehr sehr viel Geld in ein viertes Opernhaus gesteckt, anstatt für jüngere Menschen, die schon lange nicht mehr in die Oper gehen, Angebote zu schaffen. Und das ist meine ganz grundsätzliche Kritik an der zuletzt extrem bürgerlich-konservativen Kulturpolitik der Sozialdemokratie in Wien.

derStandard.at: Sie treten für eine freie e-mail-adresse und kostenlosen webspace für jeden Wiener/jede Wienerin ein? Erhöht das nicht den Druck auf die Menschen, sich mit den neuen Technologien auskennen zu müssen?

Ich würde das umdrehen: Ich glaube, dass es eine Chance ist. Wir befinden uns in einem unaufhaltsamen Prozess, in dem diese Kommunikationsmittel heute schon so selbstverständlich sind, wie das Telefon oder der klassische Brief. Deshalb ist es umso wichtiger, Leuten, die vielleicht Ängste haben oder sich nicht so gut auskennen, die Möglichkeit zu geben, diese Kommunikationstechnologien zu nutzen. Es muss ein Menschenrecht auf Zugangsmöglichkeiten zu neuen Technologien geben.

Man muss ganz offensiv dagegensteuern, dass der 'digital gap' (Anm.: digitale Kluft zwischen Nutzern und Nicht-Nutzern neuer digitaler Technologien) größer wird, weil diese Menschen sonst auf längere Sicht gesehen von lebenswichtigen Informationen abgeschnitten werden. Sich Informieren-, Kommunizieren- und daher auch Mitreden-Können halte ich für eines der wichtigsten demokratischen Rechte.