Sarajewo- Für Wolfgang Petritsch war es "fast so etwas wie eine Rückkehr nach Hause". Zum zweiten Mal seit seinem Abschied als Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft für Bosnien-Herzegowina im Frühjahr 2002 war Österreichs Botschafter bei den Vereinten Nationen in Genf vorige Woche in Sarajewo. Und wie bei seinem ersten Besuch drängten sich auch diesmal Kameramänner und Journalisten um den Mann, der knapp drei Jahre lang die Geschicke Bosniens bestimmte.

"EU-Europäisierung"

Die Botschaft, die Petritsch im Gepäck hatte, lässt erahnen, mit welchen Kompetenzen der Posten des Hohen Repräsentanten weiterhin ausgestattet - und wie gering der Einfluss von Parlament und Regierung auch heute, knapp neun Jahre nach Kriegsende, immer noch ist: "Ich glaube, dass Bosnien noch mindestens zwei, drei Jahre benötigen wird, um von dieser überwältigenden internationalen Präsenz den Übergang zu schaffen zu einer Stufe, die ich als EU-Europäisierung bezeichnen würde." Um eines Tages der EU beitreten zu können, sei es jedoch unabdingbar, dass die Bosnier endlich begännen, "ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen", so Petritsch zum STANDARD.

2009 als Zielmarke

Angespornt vom EU-Beitritt der einstigen jugoslawischen Schwesterrepublik Slowenien und den verstärkten Integrationsbemühungen Kroatiens hat Ministerpräsident Adnan Terzic das Jahr 2009 als Zielmarke gesetzt, der Union beizutreten. Eine Erwartung, die sich kaum realisieren lassen wird, wie Petritsch meint: Die bosnischen Politiker müssten "in größeren Zeitdimensionen denken". So steht bis Jahresende die Erfüllung einer 16-Punkte-Mängelliste der EU-Kommission auf dem Programm - Voraussetzung zur Aufnahme in den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess (SAP) der Union. Dieser gilt als erster Schritt auf dem langen Weg zur Vollmitgliedschaft.

Südosteuropa "klarerweise" als nächste Stufe

Daran, dass Bosnien in die EU gehört, lässt Petritsch dennoch keinen Zweifel. "Nach dem vollendeten Beitritt der osteuropäischen Staaten muss die nächste Stufe klarerweise Südosteuropa sein." Und wer die in Jahrzehnten staatssozialistischer Bürokratie gewachsene Lethargie abbauen soll, ist für ihn ebenso klar: "Das wird nur durch ein forciertes Vordrängeln der jungen Generation zu ändern sein." (mrb, DER STANDARD, Printausgabe 15./16.5.2004)